Von Elmar Krüsmann
In dieser Rubrik behandeln unsere Partner von der Kanzlei Winheller aktuelle Rechtsthemen aus dem Bereich Fundraising, Spenden und Stiftung. Heute: Elmar Krüsmann, Rechtsanwalt. Er ist auf die Beratung von Non Profit-Organisationen, Stiftungen sowie vermögenden Privatpersonen spezialisiert.
Die Stiftungsaufsicht spielt eine zentrale Rolle im deutschen Stiftungsrecht und dient dem Schutz des Stifterwillens sowie dem öffentlichen Interesse. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Stiftungssatzung zu überwachen.
Funktion und Aufgaben
Die Stiftungsaufsicht erfolgt zumeist über die Regierungspräsidien, die gesetzliche Basis ist zum Teil bundeseinheitlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, ebenso jedoch in den Stiftungsgesetzen der Länder. Wenngleich es in Bezug auf die Aufgabenverteilung und die Befugnisse der Behörden, Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt, hat die Stiftungsaufsicht im Grundsatz stets folgende wichtige Funktionen:
- Anerkennung neuer Stiftungen
- Überwachung der Einhaltung des Stifterwillens
- Kontrolle des Stiftungsvermögens
- Prüfung der jährlichen Berichte und Abrechnungen
- Genehmigung von Satzungsänderungen (und ggf. anderen wichtigen Beschlüssen)
Befugnisse und Grenzen
Zu beachten ist, dass die Stiftungsaufsicht lediglich die Rechtsaufsicht in Bezug auf die Stiftungen aus, für die sie zuständig ist. Das bedeutet, sie prüft nur die Einhaltung von Gesetzen und Satzung, nicht aber die Zweckmäßigkeit von Entscheidungen der Stiftungsorgane. Um der Aufsichtsfunktion effektiv nachkommen und um (als ultima ratio) einzuschreiten zu können, hat die Behörde folgende Befugnisse:
Informations- und Prüfungsrechte: Die Aufsichtsbehörde kann sich jederzeit über die Angelegenheiten der Stiftung unterrichten lassen. Sie hat das Recht, Bücher, Schriften und Kassenbestände der Stiftung zu prüfen oder prüfen zu lassen
Beanstandungen und Anordnungen: Die Stiftungsaufsicht kann Beschlüsse und Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstanden, wenn diese gegen Gesetze oder die Stiftungssatzung verstoßen. Sie kann anordnen, dass beanstandete Beschlüsse aufgehoben oder rückgängig gemacht werden. Die Behörde kann auch anordnen, dass gesetzlich oder satzungsmäßig gebotene Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist getroffen werden.
Zwangsmittel und Ersatzvornahme: Kommt ein Stiftungsorgan Anordnungen nicht nach, kann die Behörde diese selbst durchführen oder durchführen lassen. Sie kann Zwangsmittel nach dem jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetz einsetzen.
Abberufung von Organmitgliedern: Bei groben Pflichtverletzungen oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung kann die Abberufung von Organmitgliedern verlangt werden. Die Geschäftsführung kann einem Mitglied auch einstweilen untersagt werden. Als Ersatz einzelner Organmitglieder (oder zusätzlich zu Ihnen) kann ein sog. Sachwalter durch die Behörde bestellt werden.
Weitere Befugnisse: Schließlich ist die Stiftungsaufsicht etwa zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder, zur Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern sowie in schwerwiegenden Fällen zur Aufhebung oder Umwandlung der Stiftung befugt.
Die Stiftungsaufsicht muss bei der Ausübung ihrer Befugnisse stets das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten und die Stiftungsautonomie respektieren. Ihre Maßnahmen können von der Stiftung vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden. In praxi pendelt die stiftungsrechtliche Aufsicht oftmals zwischen zwei Extrempunkten, wenn es darum geht, aktiv tätig zu werden: einerseits dauert es oftmals sehr lang – zu lang – bis die Aufsichtsbehörden einschreiten und Anordnungen treffen oder Maßnahmen ergreifen. Wird indes eingegriffen, reagieren viele Behörden über und arbeiten direkt mit Mitteln Zwangsmitteln, Abberufungen oder der Bestellung von Sachwaltern.
Unterschiede zwischen den Bundesländern
Trotz des Ziels der im Jahr 2023 in Kraft getretenen Stiftungsrechtsreform, das Stiftungszivilrecht bundesweit zu vereinheitlichen, bestehen weiterhin Unterschiede in den Landesstiftungsgesetzen. So variiert zum Beispiel die Intensität der Aufsicht zwischen den einzelnen Bundesländern.Einige Länder wie Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sehen eine umfassende Aufsicht für alle Stiftungstypen vor. Andere Länder reduzieren die Aufsicht für privatnützige Stiftungen oder Familienstiftungen (z.B. Bayern). Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein halten an einer Anzeigepflicht mit Genehmigungsfiktion für bestimmte Rechtsgeschäfte fest, während die meisten anderen Länder darauf verzichten. Schließlich schwanken die Fristen für die Einreichung von Jahresrechnungen bei der Behörde zwischen sechs und zwölf Monaten – je nach Bundesland.
Herausforderungen, Perspektiven und Fazit
Unbestritten steht die Stiftungsaufsicht in den meisten Bundesländern vor erheblichen Herausforderungen, vor allem aufgrund von Personalmangel und stetig steigender Vielfalt und Komplexität des Stiftungswesens. Schließlich ist Stiftungsrecht – auch aufgrund der privatrechtlichen Autonomie und der (nur) wenigen gesetzlichen Rahmenvorgaben – ein komplexes Feld, das ein besonders hohes Maß an (juristischer) Fachkenntnis erfordert. Bei alledem sind die Aufsichtsbehörden angehalten, einen ausgewogenen Mittelweg zwischen effektiver Kontrolle und der Wahrung der Stiftungsautonomie finden – das ist nicht leicht.
Die Stiftungsaufsicht ist und bleibt ein wichtiges Instrument zur Sicherung des Vertrauens in das Stiftungswesen. Allerdings zeigen die bestehenden Unterschiede zwischen den Bundesländern und die personellen Engpässe, dass weitere Anpassungen nötig sind, um eine effektive und einheitliche Aufsicht zu gewährleisten. Eine stärkere Harmonisierung der Landesgesetze und eine angemessene Ausstattung der Behörden könnten dazu beitragen, die Integrität und Wirksamkeit des deutschen Stiftungssektors langfristig zu sichern.
Elmar Krüsmann
Rechtsanwalt
Kanzlei WINHELLER
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