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Araba Pilic im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Araba Pilic ist Schauspielerin, Fundraising-Expertin und Diversity-Managerin. Sie engagiert sich ehrenamtlich in diversen Organisationen. Nach einem Diplomstudium an der ArtsEd Schauspielschule in London und langjährigen Arbeit als Schauspielerin, arbeitet sie seit 2015 bei der Stiftung Menschen für Menschen im Bereich Keyaccount für Großspenden.

 

Liebe Araba, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Eines meiner ersten und für mich eindrücklichsten ehrenamtlichen Engagements war bei der Musicalshow „Der König der Löwen“, in dem ich als Premierencastdarstellerin angestellt war. Damals ging es um Equity-Themen und es war für mich durchaus eine Herausforderung, als eine in dem Umfeld privilegierte Person mich dezidiert hinter andere zu stellen und damit meine eigene Position zu gefährden. Die Zeit hat mich sehr geprägt und war im Grunde der Beginn einer über 20-jährigen aktivistischen Arbeit. Ein schöner Nebeneffekt: Auch durch diese Erfahrung sind lebenslangen Freundschaften mit vielen Kolleg:innen rundum das Theater entstanden. Wir leben heute weltweit verteilt und halten immer noch engen Kontakt.



Du hast auch Fundraising und Großspendermanagement sozusagen durch learning by doing als Aktivistin während Deiner Schauspielerkarriere für Dich entdeckt und sukzessive durch Deine Arbeit bei „Menschen für Menschen“ für Dich professionalisiert. Was hat Dich bislang am meisten in Deiner eigenen „Fundraisingschule“ geprägt? Und was macht Dich als Fundraiserin und Coach aus?


Als Quereinsteigerin bringe ich in das Fundraising verschiedene Lebens- und Berufserfahrungen ein, deren Wert ich erst im Laufe der Zeit richtig einschätzen konnte.


Als Tochter einer multikulturellen Großfamilie übe ich schon seit über 40 Jahren den Umgang mit allen Dimensionen der Vielfalt. Meine Eltern haben mir vorgelebt, offen auf Menschen zuzugehen und mich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken zu lassen. Dann bin ich einerseits beschützt und privilegiert aufgewachsen, gleichzeitig habe ich Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen gemacht. Mein heterogener Freundeskreis hat mich gelehrt, bei Sachverhalten verschiedene Perspektiven einzunehmen, sensibel und flexibel in der Ansprache und dennoch klar in der Botschaft zu sein. All diese Erfahrungen geben mir viel Verständnis und meistens einen guten Zugang zu den unterschiedlichsten Menschen.


Zudem hat sich mein erster Beruf, die Schauspielerei, als schlagkräftige Zusatzqualifikation erwiesen. Zum Beispiel, weil wir Schauspieler:innen darin geübt sind auf die Körpersprache zu achten. So setze ich bei all meinen Vorhaben den Menschen ins Zentrum und achte z.B. bei einem persönlichen Austausch mit Unterstützenden auf das Entrée, denn es setzt für mich den Ton des weiteren Gesprächsverlaufs: Was braucht mein Gegenüber, um bestmöglich in das Thema einzusteigen? Kann ich z.B. Unkonzentriertheit, Fahrigkeit erkennen, dann sehe ich nicht darüber hinweg, sondern nehme mir Zeit und versuche die Situation zu adjustieren. Beim Fundraising bewege ich mich quasi aus meiner Schauspiel-DNA heraus in einem Geflecht von Storytelling, reinspüren, Akzente setzen, mitreißen…das Wichtigste bleibt die Verbindung zu meinem Gegenüber, die zu jedem Zeitpunkt authentisch sein muss.


In meiner Beratungstätigkeit nutze ich dieselben Tools.



Welche Ehrenämter und Netzwerke bereichern Dich denn bis heute?


Ich engagiere mich in vielfältigen Netzwerken und Ehrenämtern, und es macht die Unterschiedlichkeit, die mich bereichert und inspiriert, z.B. als Jurymitglied des Deutschen Fundraising Preises, als Gründungsmitglied von BlackWomxnMatter Süd, eine Empowerment Community, oder als Beiratsmitglied von Panthertainment, eine Filmproduktionsfirma, die Geschichten aus der Perspektive von People of Colour erzählt. Da wir uns im gemeinnützigen Bereich nun mal auch in einer Bubble bewegen, brauche ich auch den Austausch, um die internen Theorien und Annahmen mit der realen Welt da draußen abzugleichen.


Erst vor kurzem durfte ich die Deutsche Engagement Preisverleihung zum ersten Mal besuchen. Die Vielfalt und Schönheit der nominierten und gekürten Engagements und die Portraits der Menschen, die dahinter stehen, haben mich sehr inspiriert. Mein persönliches Highlight: Der Student Paul Goldschmidt, der mit seinem Luftqualitäts-Messsystem gerade den Schulen während der Pandemie eine erhebliche Erleichterung bot. Auf die Frage einer verwunderten Moderation, warum er das nicht gewinnbringend patentieren hat lassen, antwortete er mit Nachdruck etwa sinngemäß, dass der Sinn der Sache ja wäre, möglichst vielen Menschen so niedrigschwellig wie möglich zu helfen. Das Wort Eigennutz wäre hier einfach fehl am Platze. Dieser kleine Aufstand des Anständigen hat mich tief berührt - und anders bereichert, nämlich in meinem Glauben an das Gute.



Für Dich ist Beziehungspflege das A und O im Fundraising. Wie setzt Du das selbst um? Hast Du ein paar Tipps für unsere Leser*innen, auch hinsichtlich Ansprache?


Das Thema Kommunikation hat sich im Laufe der Jahre zu einem meiner Lebensthemen entwickelt. Dabei denken wir oft, Kommunikation fängt beim Reden an. Tatsächlich fängt eine gelungene Kommunikation beim Zuhören an. Wenn ich erst einmal meinen eigenen Redeimpuls kontrolliere und das Redezepter an mein Gegenüber abgebe, dann begebe ich mich in eine lernende und erkundende Position. Viele Menschen erzählen gerne, wenn sie das Gefühl haben einen aufmerksamen Zuhörer im Gegenüber zu finden.


Im Hinblick auf eine „Neue Sprache“ in einer vielfältigen Gesellschaft kann dieser Ansatz auch sehr helfen, vor allem wenn wir uns unsicher fühlen, wie wir uns ausdrücken sollen. Eine ehrliche, kurze Frage wird in der Regel wertschätzend aufgenommen, wobei es nicht darum gehen sollte, das Gegenüber als „Studienobjekt“ zu gebrauchen. Das könnte wiederum den gegenteiligen Effekt haben.


Ich arbeite aktiv an der Entwicklung einer Neuen Bild-/Sprache im Fundraising, im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Das ist ein durchaus komplexes Vorhaben, da Sprache bekanntermaßen historisch und systemisch/strukturell aufgebaut ist. Das bedeutet, wenn man mit der Sprache anfängt, dann kommt man im zweiten Schritt nicht umhin, die dahinter liegenden Strukturen kritisch zu betrachten und zu verändern. Ich bin der Meinung, dass genau dieser Schritt u.a. notwendig ist, um Organisationen zukunftsfähig zu machen.



Du hast Dich nebenbei selbstständig gemacht und setzt Dich für Diversity und Empowerment ein. Was ist Dein Erfolgsrezept?


Grundsätzlich soll der Austausch mit mir von Wertschätzung, Ermutigung und im besten Falle Inspiration geprägt sein. Dabei denke ich an meine für mich wichtigsten Mentor:innen, die in ihrer Verschiedenheit eine Gemeinsamkeit hatten: eine ansteckende, tiefe Leidenschaft für ihr Thema und eine Mutmachende, mitreißende und unterhaltsame Art des Lehrens. Ich möchte Tiefe und Ernsthaftigkeit für die Themen und gleichzeitig ein Augenzwinkern dem Leben gegenüber vereinen und bin der festen Meinung, das geht.


Genauso wichtig ist mir das Abholen: Wo steht mein Gegenüber in punkto „innere Bereitschaft“ , oder „Mut und Verletzlichkeit“, oder „Privileg“?, das sind Fragen, die wir gemeinsam herausfinden. Es ist wichtig, dass wir die gleiche Wahrnehmung vom Startpunkt unseres Veränderungsprozesses haben. Wer nur einmal in seinem Leben Schlittschuhe getragen hat, wird nicht in der ersten Stunde einen Doppelten Rittberger machen - das müssen wir beide wissen und verstehen.


Dann arbeite ich so praxisorientiert wie möglich, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass kleine, handfeste Erfolgserlebnisse die für Veränderungsprozesse nötige Motivation besser aufrechterhalten. Und mit dem Konzept der Sinnes-Intelligenz, was nichts anderes bedeutet, als dass ich in Prozessen immer wieder die rationale Ebene verlasse und für ein tieferes Erleben und somit auch Verständnis weitere Sinne aktiviere.



Wir erleben ja seit ein paar Jahren hautnah Multikrisen, die auch den gemeinnützigen Bereich stark in Atem halten und dessen Fundraising beeinflusst. Welche Fundraising-Instrumente und -Trends sind für Dich unverzichtbar für die Zukunft, um Fundraising nachhaltig und stabil für eine Organisation gestalten zu können?


Ich denke, dass wir gerade in dieser digitalisierten Welt den persönlichen Kontakt mit schon aktiven Unterstützenden nicht abreißen lassen sollten. Der persönliche Austausch ist aus meiner Sicht heute noch das wichtigste Bindungstool.


Zudem denke ich, dass wir eine neue Ansprache und vor allem Angebote für eine sich rasant wandelnde Gesellschaft parat haben werden müssen. Ob das heutige Wort „Spende“, in 10 Jahren noch die gleiche Bedeutung haben wird, ist eine der Fragen, die mich umtreibt. Das bedeutet eine viel tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema: Wer sind die Spendenden von Morgen und was bewegt sie wirklich?

 

Und zum Schluss – 3 Fragen in je einem Satz:


Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt/ Engagement oder auch den Feldern, in denen Du dich engagierst, gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

Zum Thema Vielfalt: „Die Schönheit der Differenz“ von Hadija Haruna Oelker.


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hätten, welcher wäre das?

Pro-bono Werbeflächen nach einem gerechten Rotationsprinzip, in renommierten Print- und Onlinemedien und somit mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung des dritten Sektors als wichtige Säule einer funktionierenden Gesellschaft.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Eines meiner Credos, das mich schon viele Jahre begleitet, ist ein Spruch von Samuel Beckett: Ever tried, ever failed, no matter. Try again, fail again. Fail better.

Mit anderen Worten: Nur Mut.

 
Carola von Peinen

Araba Pilic

Stiftung Menschen für Menschen

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