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Olav Bouman im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und seit 2023 Leitung Fundraising der Abteilung Engagement & Partnerschaften bei der Hamburger Kunsthalle in Doppelspitze.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Podcast-Blaufuchs und Fundraising-Urgestein Olav Bouman hat sich nach seiner Zeit als Marketingdirektor, Aufsichtsrat und Entrepreneur wieder seinen alten Leidenschaften, dem Schreiben, Zeichnen und Storytelling zugewandt. Zurzeit lebt er in der Kurpfalz mit seiner Frau und seinem Hund Lucky. Seine Themen sind in erster Linie Charities, Neuro-Wissenschaften und Reisen.

 

Lieber Olav, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Ich bin in einer christlich orientierten Familie aufgewachsen. Meine Grossmutter war eine großzügige Spenderin und so lernte ich sehr früh, dass man die Schöpfung achtet und dafür auch „gibt“.


Mein erstes eigenes ehrenamtliches Projekt war dann ein Umweltprojekt zusammen mit meinem damaligen Biolehrer Dr. Böhmer. Es war eine Aktion gegen Ameisenvernichtungsmittel von Bayer.


Naturschutz war also damals schon mein Thema. Wahrscheinlich haben mich da Leute wie Jaques Cousteau, Marlin Perkins (Im Reich der wilden Tiere) und Bernhard Grzimek (Serengeti darf nicht sterben) geprägt. Später auch Heinz Sielmann, den ich öfters getroffen habe und mit dem es ein beeindruckendes Erlebnis war, durch ein Schutzgebiet zu streifen.


Du bist in den USA aufgewachsen. Wie ist Dein Blick auf bürgerschaftliches Engagement dort? Was kann Deutschland von den USA lernen und umgekehrt?


Das ist ein Missverständnis. Die ersten sechs Jahre war ich entweder auf dem Schiff meines Vaters unterwegs oder im Krankenhaus. Ich hatte mit 18 Monaten einen schlimmen Verbrennungsunfall und war bis zu meinem fünften Lebensjahr immer wieder monatelang im Krankenhaus, um die Einschränkungen auch die Brandverletzungen so weit operativ zu reduzieren, wie es der jeweilige Stand der Medizin zuließ.


Ich habe aber mein ganzes Leben immer wieder längere Zeiten bei meiner Tante und ihrer Familie in Savannah verbracht. Das hat mich und mein Blick auf die USA geprägt. Ich war 1977 dort, zwei Tage nach dem verheerenden Blackout in New York. Damals konnte man vor Ort die unterschiedlichen Kräfte in den USA wie durch ein Brennglas sehen. Raub, Plünderung, Vergewaltigung und Mord auf der einen Seite und grenzenlose Hilfsbereitschaft und Hilfe zur Selbsthilfe durch den anderen Teil der Bevölkerung.

Ich bin überzeugt, dass die Gründerzeit der USA zu einer Kultur der Gewalt und gleichzeitig zu einer Kultur der Nachbarschaftshilfe geführt hat. Anders hätte man damals nicht überleben können. Dazu kommt, dass die Sozialsysteme bei weitem nicht so ausgebaut sind wie bei uns. Und ganz wichtig in vielen Gegenden in den USA ist der christliche Glaube sehr stark verwurzelt. Ich habe viele Gottesdienste in den USA als Familiengast erlebt und gestehe, dass mir die missionarische Inbrunst fehlt und mir so manches seltsam vorkam, aber der Zusammenhalt und die Hilfsprojekte dieser lokalen Gemeinden sind oft großartig. Deutschland hat eine andere Geschichte und eine andere Kultur. Mit Ratschlägen für die jeweils andere Seite halte ich mich deshalb lieber zurück.


Du warst jahrelang als Marketingdirector, Aufsichtsrat und Entrepreneur tätig, kennst die profit- und non-profit-Welt aus unterschiedlichsten Perspektiven. Welche Themen beschäftigen Dich zurzeit am meisten?


Als Erstes: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der die Angst vor einem Atomkrieg allgegenwärtig war. Mit dem Mauerfall fiel dieses Gefühl von mir ab.

Nun empfinde ich wieder Angst. Nicht um mich der Tod ist mir im Leben so oft begegnet und ich habe meinen Frieden mit ihm gemacht. Nein, ich habe Angst um die Zukunft meiner Kinder und vor allem meiner Enkelkinder.

Immer wenn sich die lautesten Menschen sicher sind, die Antworten auf noch nie dagewesene Fragen zu haben, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Die Möglichkeit, dass es in Mitteleuropa noch einmal zu einem Krieg kommen könnte, beschäftig mich enorm.

Mein Leben und meine Erfahrungen mit den Mächtigen und Berühmtheiten, haben mich zum Skeptiker gemacht. Ich habe in den vergangenen 40 Jahren sehr viele berühmte und mächtige Menschen getroffen und zum Teil mit ihnen gearbeitet. Leider hat das meinen Glauben an die Kompetenz und Intelligenz vieler dieser Leitfiguren nicht gestärkt. Im Gegenteil, viele sind erschreckend einfach gestrickt gefährlich wird es dann, wenn sie sich zu höherem berufen fühlen und ihre Defizite nicht einschätzen können.


Zweitens: Die Welt im chaotischen Umbruch. Unzweifelhaft befinden wir uns in einer Transformation der Welt mit so vielen verschiedenen offenen Problemen und Fragen wie wohl nie zuvor. Solch eine Situation ist ganz klar auch die Stunde für Ideologen und Misanthropen, die ihre Interessen rücksichtslos durchsetzen. Das beunruhigt mich kolossal.


Drittens: KI, Robotik, Gentechnik. Ich bin davon überzeugt, dass diese drei Bereiche uns in Zukunft noch viel Kopfzerbrechen bereiten werden. Es sind Technologien, die niemand komplett durchschaut und mit denen man trotzdem fröhlich herumexperimentiert. Wir sollten öfters an Pandora Büchse denken!


Vor welchen Herausforderungen steht das Fundraising? Werden sich die Verunsicherungen aus der Energiekrise und sonstige Krisen auch weiterhin auf Spendenzahlen auswirken?


Beim Fundraising sehe ich die größte Herausforderung beim Übergang vom analogen zum digitalen Fundraising. Es gibt immer noch kein digitales Instrument, das planbar sehr große Mengen neuer Spender generiert. Das ist wohl die größte Herausforderung für die nächste Generation Fundraiser*innen. Die Zukunft der Zunft der Fundraiser*innen sehe ich rosig. Es wird immer Menschen brauchen, die in der Lage sind Projekte so darzustellen, dass andere davon begeistert sind und dann Geld geben.


Welche Strategien aus dem Marketing sind für Dich für's Fundraising im gemeinnützigen Sektor unabdingbar? Wie wichtig ist Storytelling?


Fundraising ist eine Form des Vertriebsmarketings! Ja, wir passen es auf die unterschiedliche Kultur von Organisationen an und wir verringern das Tempo im Vergleich zur Wirtschaft. Der größte Unterschied ist aber, dass wir kein Gewinnziel verfolgen, sondern ein Impact-Ziel. Diesen scheinbar kleinen Unterschied verstehen jedoch viele Menschen nicht. Vor allem wirtschaftlich orientierte Gremien und Quereinsteiger.


Fundraising ist Storytelling! Es ist die Fähigkeit eine Geschichte so zu erzählen, dass der Leser emotional in die Geschichte eintauchen kann. Egal ob geschriebener Text, ein Bild oder ein Video. Bewegtbild wird durch die technischen Möglichkeiten immer mehr zum wichtigen Teil des Fundraisings. Aber Vorsicht: Es ist eine ganz eigene Kompetenz, die Dimensionen Konzept, Storyline, Bildsprache, gesprochene Sprache, Hintergrundmusik etc. in eine auf die Intention hinführende Dramaturgie zu orchestrieren – eine ganz neue Kompetenzherausforderung.



Du hast den Podcast Blaufuchs ins Leben gerufen: „Menschen, Stories und Infos aus der Welt der Charities“. Welche Impulse hast Du aus Deinen Gesprächen mitgenommen?


Obwohl ich die Gäste im Podcast im Vorfeld gut recherchiere, bin ich immer wieder davon überrascht, wie die meisten für ihre Themen brennen. Dann muss man nur die richtigen Fragen stellen und man hat eine prima Podcastfolge. Mein persönliches take away ist: Mache auf Dauer in erster Linie nur Jobs, für die Du überwiegend brennen kannst. Nur so entsteht Exzellenz. Alles andere ist bestenfalls Durchschnitt.


Auf Social Media teilst Du seit geraumer Zeit Deine Kunst und begeisterst damit. Das ist vielleicht eine schräge Frage: Aber was haben Kunst und Gemeinnützigkeit für Dich gemeinsam? Was gibt die Kunst Dir?


Die Fähigkeiten und Talente, die mir Gott ins Leben mitgegeben hat, um diese für gemeinnützige Zwecke einzusetzen, das hat mich die meiste Zeit in meinem Berufsleben zufrieden und manchmal sogar glücklich gemacht. Mir ist viel Gutes im Leben widerfahren und meine Arbeit war mein Teil, den ich zurückgeben konnte. Und ab und zu tue ich das ja auch heute noch für ganz besondere Zwecke. Nun aber eher für kleinere, nicht ganz so sichtbare Zwecke.


Nachdem mich eine ziemlich blöde Krankheit getroffen hat, die mir Stück für Stück Mobilität und motorische Fähigkeiten genommen hat und nimmt, haderte ich zuerst natürlich mit meinem Schicksal. Ich hatte aber auch Zeit zum Nachdenken und irgendwann wurde mir klar, dass meine Zeit als Globetrotter und Mister 100.000 Volt endgültig vorbei waren.


Irgendwann erhielt ich den Fingerzeig, es mal wieder mit dem Zeichnen und Malen zu probieren und ich kann es nicht anders ausdrücken: Es macht mich einfach glücklich!

 

Und zum Schluss: Drei Antworten in je einem Satz!


Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt oder Engagement gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

Zwei Bücher:


1. „Marketing for Non Profit Organisations“ von Philipp Kottler dem Marketing-Guru aus den USA. Ich glaube das Buch ist von 1971 und ist nur noch antiquarisch in den USA erhältlich. Wie viele alte „Lehrbücher“ wirkt es auf den ersten Blick etwas antiquiert, aber wenn man Grundkenntnisse im Marketingmanagement hat, lassen sich die Beispiele gut auf die heutige Zeit übertragen.


2. Als Jugendlicher war ich viel im Süden der USA mit meiner dortigen Familie unterwegs. Meine Tante war in den 50ern dort angekommen und hat mir viel über den damaligen Umgang mit der schwarzen Bevölkerung erzählt. Schlimme und traurige Geschichten, die meine Einstellung geprägt haben. 1976 erschien dann ein Buch von Alex Hailey mit dem Titel „Roots“. Es erzählte die Familiengeschichte des Autors, beginnend mit dem Urahn, der in Afrika von schwarzen Sklavenhändlern eines anderen Stammes gefangen und an die britischen Sklavenhändler verkauft wurde, um später in der Karibik oder dem Süden der USA als Sklave zu arbeiten.

Dieses Buch war für mich die Verbindung zwischen dem historischen Zusammenhang und den Geschichten meiner Tante. Wer sich dafür interessiert, sollte unbedingt das Buch lesen. Es gibt auch zwei TV-Serien, aber die Hälfte des Buches erzählt die Kindheit und Jugend des Protagonisten in seinem Stamm im heutigen Gambia. Extrem interessant und wichtig, um die Unterströmungen und Handlungsweisen der Figuren zu verstehen.


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?

Die Auslöschung der Armut.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Fürchte Dich nicht! (Jesaja 41.10)


Man muss angstfrei agieren, wenn man wirklich etwas erreichen möchte. Glaube gibt Kraft und hilft, die Furcht zu besiegen.

 
Carola von Peinen

Amal Abbass

Geschäftsführerin

tubman.networks

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