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Prof. Manuel J. Hartung im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Prof. Manuel J. Hartung ist ein deutscher Journalist, Buchautor und seit 2022 Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.








 

Lieber Manuel, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert?


Das muss 1990 oder 1991 gewesen waren - ich ging in die dritte Klasse einer Grundschule in der Nähe von Kassel und habe gemeinsam mit Mitschülerinnen und Mitschülern einen „Tu was“-Umweltclub gegründet — das mag sich unschuldig anhören, aber wir haben das sehr ernst genommen: Müll sammeln auf dem Schulhof etwa oder uns dafür einsetzen, dass der Schulkakao nicht mehr in Einwegpacks kommt, sondern in Mehrwegflaschen. Was den Anstoß gab? Ich erinnere mich nicht mehr. Aber man kann heute aus dem Engagement ziemlich viel ableiten, was gutes Engagement ausmacht: Erstens hatten wir den Eindruck, wirklich etwas zu bewegen: Selbstwirksamkeit. Zweitens waren die Ergebnisse in einem begrenzten Wirkungsfeld schnell sichtbar: Fokus. Drittens hatte der Club dann, soweit ich mich erinnere, ziemlich schnell 30 Mitglieder, und das bei einer kleinen Grundschule: also Begeisterung. Das waren sicher drei Urerfahrungen, die mich für weiteres Engagement inspiriert haben - sei es an der Schule oder der Uni; an der Harvard Kennedy School ist das Motto der Uni übrigens schon ein Aufruf zum Engagement: »Ask what you can do«.

Noch eines prägt mein Engagement: Ich bin 1981 geboren, und die 1990-er Jahre waren ziemlich politisierend für mich; die innerdeutsche Grenze war nicht weit weg, und wir sahen nach dem Mauerfall die ganzen Trabis in der Kasseler Innenstadt. Während des Golfkriegs brachten Mitschüler Radios mit in die Schule, sodass wir die Nachrichten hören konnten. Und dann schien es in den 1990-er Jahren immer weiter aufwärtszugehen; die Welt wurde freier, offener, gerechter. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine sind nun so viele Ideen, auch Illusionen zerstoben. Ich halte die Verteidigung der Freiheit für die zentrale Aufgabe einer ganzen Gesellschaft - und besonders meiner Generation, die jetzt an so vielen Stellen in die Verantwortung kommt.


Du hast an der Henri-Nannen-Schule eine Ausbildung gemacht, unter anderem in Harvard studiert, schon in diversen Kontexten beruflich gewirkt und in all diesen Jahren ein sehr großes Netzwerk, auch in Deinen Ehrenämtern, aufbauen können. Was bedeutet für Dich Netzwerk- und Beziehungspflege? Welche Tipps würdest Du dahingehend unseren Leser*innen mitgeben?


Thomas de Maizière und Karl-Ludwig Kley haben ein herausragendes Buch über gute Führung geschrieben. Grundsatz Nummer 1: Gut führen kann nur, wer Menschen mag. Da Netzwerken auch Teil meiner Führungsaufgabe ist, gilt das meines Erachtens auch hier. Ich habe nun das ganz große Glück, dass ich von Natur aus Menschen mag. Und ich habe das ganz große Privileg, immer in Kontexten arbeiten zu dürfen, in denen man viele Menschen trifft, die man mögen mag. Die Kombination begreife ich als ein echtes Geschenk; Zynismus bringt die Welt nicht weiter. Wer netzwerken will, sollte sich daher folgende Dinge fragen:

1. Mag ich Menschen?

2. Mag ich Menschen so sehr, dass ich gemeinsam etwas mit ihnen bewegen will?

3. Gäbe es etwas, das eine andere Person und mich nach Nordwesten führt, wenn ich selbst nach Norden will und die andere nach Westen?

4. Schaffe ich es, mich von Menschen fernzuhalten, die zwar wichtig für mich sind, aber in sich unlauter?


Du bist im Medien- und Verlagsbereich als Journalist und Manager groß geworden, hast schon Online-Magazine und einen Blog in den Nullerjahren gegründet, als diese Formate noch gar nicht bekannt waren; zusätzlich hast Du das Magazin ZEIT Campus mit aufgebaut und lange für den ZEIT-Verlag in diversen Rollen gearbeitet.Wassind die wichtigsten Learnings aus dieser Zeit für Dich?


Die ZEIT-Gruppe ist aus meiner Sicht so erfolgreich, weil Giovanni di Lorenzo und Rainer Esser eine große Zutrauenskultur etabliert haben. Man überträgt Menschen Verantwortung und gibt ihren Ideen Raum. Ob wir nun ZEIT CAMPUS oder ZEIT GERMANY gegründet haben oder die Ressorts WISSEN und CHANCEN zu einem großen Bildungs- und Wissenschaftsressort zusammengeführt haben, stets konnten wir selbst etwas bewegen- das hat sich seit meiner ersten Stelle dort - als Jungredakteur im Jahr 2004 - an vielen Stellen gezeigt. Dieses Führungsverständnis passt sehr gut zu einem Grundsatz, der mich in meinem Studium in Harvard geprägt hat: Führung bedeutet, einer Gruppe dabei zu helfen, ihre Ziele zu finden und diese auszuführen. Darin steckt: Vordenken, Chancen geben, etwas Gemeinsames auf den Weg bringen, umsetzen, sich stetig verbessern. Und noch ein zweites großes Learning nehme ich mit: Dass es erstens einen stabilen Kern braucht, der sich stetig und kontinuierlich verbessert und zweitens viele neue Dinge, die sich schnell und kurzfristig verändern. Das sehe ich auch bei der Stiftungsarbeit: Unsere Stiftung arbeitet einerseits mit sehr langem Atem, etwa bei der Bucerius Law School, und muss sich andererseits sehr schnell auf neue Themen einstellen, wie etwa jetzt die Integration ukrainischer Schülerinnen und Schüler.


Wie hat sich die Verlagsbranche in der Zeit verändert und was sind in Deinen Augen wichtige Zukunftstrends, die diese Branche mitnehmen sollte?


Erstens, das brauche ich nicht erläutern, Digitalisierung. Zweitens Communitybuilding. Ich glaube, dass es für Verlage, wie übrigens auch für Stiftungen entscheidend ist, ein Zentrum einer Gemeinschaft zu sein. Das bindet, motiviert und setzt Kräfte frei. Drittens: Überraschungsoffenheit. Wer hätte gedacht, dass Newsletter irgendwann wieder ein gehyptes Produkt werden? Wer hätte den Erfolg von Podcasts vorhergesehen? 2016 sagte Yascha Mounk, als er in den USA den Slate-Podcast „The Good Fight“ gründete, zu mir: Du triffst so viele interessante Leute. Mach doch einen Podcast. Ich lehnte ab: keine Zeit, und irgendwie glaubte ich auch nicht so recht an die große Zukunft des Formats. Ein großer Fehler. Und viertens als Antwort auf einen negativen Zukunftstrend: Bewusstsein um die Bedrohung der Freiheit. Journalistinnen und Journalisten stehen persönlich Medien strukturell unter Druck. Hier ist die gesamte Zivilgesellschaft gefragt.


Nach so vielen Berufsjahren als Journalist kommt natürlich die Frage auf: Fehlt Dir das Recherchieren und Schreiben oder hast Du an anderer Stelle noch Gelegenheiten dazu?


Stiftungswesen und Verlagswesen haben eine Sache gemeinsam - sie sind Gemeinschaften für die wirksame Verbreitung von Ideen. Es geht immer darum, aus einer Idee ein Produkt zu machen – mal ist das die These für einen Leitartikel, mal der Anstoß für eine Recherche oder eine Serie, das Leitmotiv für ein neues Ressort oder Magazin - oder aber die Wirkungslogik für ein Projekt oder die Trajektorie für eine neue Institution. Und rein handwerklich schreibe ich ja immer noch viel - von Reden bis zu Konzepten - und werde mich sicher künftig auch mit Gastbeiträgen in aktuelle Debatten einmischen.


Nun bist Du Vorstandsvorsitzender einer der größten Stiftungen Deutschlands.Und wir sind natürlich neugierig: Was hast Du in den nächsten Jahren mit der ZEIT-Stiftung vor, gibt es neue Projekte oder Stiftungsvorhaben, die Du uns an dieser Stelle schon verraten kannst?


Wir haben in vielen Gesprächen ein Zukunftsbild entwickelt und verschiedene Handlungsoptionen für die nächsten Jahre aufgezeigt. Dabei werden uns die Motive „Freiheiten verteidigen“, „Freiräume schaffen“ und „Orientierung geben“ leiten - und zwar in allen unseren Themenfeldern, zu denen ich mich auch in ihrer Vielfalt ausdrücklich bekenne. Die „Verteidigung der Freiheit“ war übrigens auch das Leitmotiv unserer Feier zum 51. Jubiläum der ZEIT-Stiftung im Mai, bei der wir den Bundespräsidenten begrüßen durften, der eine richtungweisende Rede hielt.

Beispiele für neue Vorhaben, die unser Kuratorium dieses Frühjahr verabschiedet hat, sind Projekte zur Wissenschaftsfreiheit, zur Medienkompetenz, zu Integration ukrainischer Schülerinnen und Schüler in Hamburg, aber auch zur Unterstützung eines Kindermuseums. Zudem wollen wir Demokratie und Pressefreiheit noch intensiver fördern. Was dabei entscheidend ist? Das ganz großartige Team der Stiftung mit leidenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen, die Unterstützung eines wunderbaren Kuratoriums, das Getragenwerden auch durch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Stiftungen und Institutionen. Und persönlich: der Wille, vieles zu gestalten.


Nebenbei bist Du aktiv und passiv in Ehrenämtern unterwegs, zur Zeit vor allem als Lehrbeauftragter am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und auch z.B. als assoziiertes Mitglied des „Think Tank 30“ des Club of Rome. Was sind innerhalb dieser Ehrenämter Deine Themen für 2022 und wovon profitierst Du beruflich und persönlich am meisten?


Ich mag es, den Studierenden etwas zurück- und weiterzugeben, dass ich auch von anderen lernen durfte. Und da jede Gruppe von Studierenden anders ist, macht es auch Freude, von den Studierenden zu lernen und herausgefordert zu werden. Und natürlich hoffe ich, auch in den Ehrenämtern ein guter Botschafter für die ZEIT-Stiftung zu sein und für die Arbeit von Stiftungen zu begeistern.

 

Und zum Schluss – 3 Fragen in je einem Satz:


Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt/Engagement oder auch den Feldern, in denen Du Dich engagierst, gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

Neben der »Kunst guten Führens« (Thomas de Maizière/Karl-Ludwig Kley), siehe oben, würde ich auch »Die Vertrauensfrage« (Jutta Allmendinger) empfehlen, weil sie eines der zentralen Themen dieser Gesellschaft anspricht. Und gerade fange ich an, »Das narrative Gehirn« (Fritz Breithaupt) zu lesen - ein Germanistik- und Kognitionswissenschaftler über das große Wort »Narrativ«; darauf freue ich mich sehr.


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?

Dass der Sektor die Generationen- und Gesellschaftsaufgabe der Verteidigung der Freiheit gemeinschaftlich angeht.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Zuversicht!

 
Carola von Peinen

Prof. Manuel Hartung

Vorstandsvorsitzender

ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

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