Personalisierung im Online-Fundraising: Zwischen Relevanz und Datenschutz
- jschumacher84
- 14. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juli
Von Jörg Reschke

In dieser Rubrik erzählt unser Partner Jörg Reschke, bekannt als Digital Fundraising Experte, von Digitalisierung für gemeinnützige Organisationen. Er ist Autor des Buches "Online-Fundraising" und begleitet seit zwei Jahrzehnten Nonprofit-Organisationen bei digitalen Kommunikationsstrategien.
Foto: privat
Eine E-Mail trifft am frühen Abend im Posteingang ein. Der Betreff nennt den eigenen Vornamen, der Einstieg erinnert an eine frühere Spende, und das Anliegen wirkt persönlich formuliert. Die Botschaft: „Du hast schon einmal geholfen – möchtest du es wieder tun?“ Für manche Empfänger:innen fühlt sich das wie ein wertschätzender Dialog an. Für andere wie ein Blick durchs Schlüsselloch.
Personalisierung im Fundraising kann Nähe schaffen, Relevanz erhöhen und Spendenbereitschaft steigern – wenn sie richtig eingesetzt wird. Doch sie kann ebenso schnell das Gegenteil bewirken: Misstrauen, Irritation oder sogar Ablehnung. Denn wo persönliche Daten im Spiel sind, ist auch das Thema Datenschutz nicht weit. Gerade für NGOs, die auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit angewiesen sind, ist dieses Spannungsfeld besonders sensibel. Zwischen dem Wunsch nach individueller Ansprache und der Pflicht zum datenschutzkonformen Handeln verläuft eine feine Linie – und die Kunst besteht darin, sie nicht zu überschreiten.
Relevanz durch Personalisierung
Menschen erwarten heute mehr als standardisierte Massenmails – auch von gemeinnützigen Organisationen. Studien zeigen, dass personalisierte Kommunikation Öffnungsraten, Spendenbereitschaft und langfristige Bindung deutlich steigern kann. Eine E-Mail, die sich auf eine frühere Spende bezieht und ein passendes Projekt vorschlägt, wirkt relevanter als ein generischer Aufruf. Wer sich individuell angesprochen fühlt, fühlt sich eher als Teil der Mission – und handelt entsprechend.
Personalisierung braucht Daten. Doch nicht jede Information ist gleich relevant. Für wirkungsvolle Ansprache reichen oft wenige, aber aussagekräftige Merkmale: Spendenhäufigkeit, bevorzugte Themen oder bevorzugte Kommunikationskanäle. Wer etwa regelmäßig für Bildungsprojekte spendet, sollte vielleicht nicht mit Notfallhilfe-Kampagnen angesprochen werden. Entscheidend ist das Prinzip der Datensparsamkeit: Nur das erfassen, was für die Beziehungspflege wirklich notwendig ist – und das transparent und nachvollziehbar.
Vertrauen mit Datenschutz und Transparenz
Die DSGVO erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten nur auf klarer Rechtsgrundlage – im Fundraising meist durch Einwilligung oder das sogenannte berechtigte Interesse. Letzteres ist zulässig, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Es muss ein legitimes Interesse der Organisation bestehen, die Verarbeitung muss erforderlich sein, und die Interessen der betroffenen Person dürfen nicht überwiegen. Eine personalisierte Ansprache auf Basis einer früheren Spende kann zulässig sein – aber nur, wenn die betroffene Person damit rechnen konnte und transparent informiert wurde.
Transparenz ist der Schlüssel zu datenschutzkonformer Personalisierung. Ganz besonders im Fundraising sollten Organisationen offenlegen, welche Daten sie erheben, wofür sie genutzt werden und wie lange sie gespeichert bleiben. Ein klarer Opt-in bei Newslettern, verständliche Cookie-Banner und eine gut auffindbare Datenschutzerklärung sind essentiell. Gute Beispiele nennen konkrete Zwecke, Kontaktstellen und Widerspruchsmöglichkeiten – schlechte bleiben vage oder verstecken sich im Kleingedruckten. Wer offen kommuniziert, stärkt das Vertrauen und reduziert rechtliche Risiken.
Moderne IT-System erleichtern die Personalisierung
CRM-Systeme ermöglichen es NGOs, Spenderdaten strukturiert zu erfassen und gezielt zu segmentieren – etwa nach Spendenhöhe, Themeninteresse oder Kommunikationsverhalten. E-Mail-Marketing-Tools bieten Funktionen zur dynamischen Inhaltserstellung, während Webtracking-Tools datenschutzfreundliche Analysen ermöglichen. Wichtig: Alle Systeme müssen DSGVO-konform konfiguriert und dokumentiert sein.
Doch Technik ersetzt nicht das menschliche Urteilsvermögen. Automatisierte Segmentierung oder KI-gestützte Empfehlungen können helfen, Zielgruppen effizienter zu erreichen – bergen aber Risiken: Wenn Algorithmen auf fehlerhaften Daten basieren oder intransparente Entscheidungen treffen, kann das Vertrauen schnell verloren gehen. Deshalb gilt: Automatisierung ja – aber mit klaren Regeln, menschlicher Kontrolle und ethischem Bewusstsein.
Obacht vor der „creepy line“
Personalisierung kann begeistern – oder verstören. Die sogenannte „Creepy Line“ beschreibt den Moment, in dem datenbasierte Ansprache als übergriffig empfunden wird. Etwa wenn eine NGO in einer E-Mail auf ein sensibles Thema Bezug nimmt, das nie aktiv geteilt wurde, oder wenn eine Spenderin plötzlich auf Social Media mit exakt dem Projekt beworben wird, über das sie sich nur intern informiert hatte. Was als Fürsorge gemeint war, wirkt dann wie digitale Überwachung.
Empathie und Respekt sind deshalb zentrale Leitlinien für jede Form der Personalisierung. Es geht nicht nur darum, was technisch möglich oder rechtlich erlaubt ist – sondern auch darum, was sich für die Zielgruppe richtig anfühlt. Eine gute Faustregel: Würde ich mich selbst über diese Ansprache freuen? Würde meine Großmutter sich freuen? Wenn nicht, ist Zurückhaltung oft der bessere Weg. Besonders bei Themen wie Krankheit, Flucht oder Tod ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Organisation verschickte Geburtstagsgrüße an Spender:innen – eigentlich eine nette Geste. Doch einige Empfänger:innen waren irritiert: Sie hatten ihr Geburtsdatum nie bewusst angegeben. Die Folge: Beschwerden und Abmeldungen.
Fazit
Personalisierung ist ein kraftvolles Instrument im digitalen Fundraising – sie schafft Nähe, steigert Relevanz und kann die Beziehung zwischen Organisation und Unterstützer:innen nachhaltig stärken. Doch diese Wirkung entfaltet sich nur, wenn Personalisierung nachvollziehbar, freiwillig und respektvoll erfolgt. Selbst gut gemeinte Ansprache kann Vertrauen kosten, wenn sie zu intim wirkt oder ohne erkennbare Grundlage erfolgt.
Transparenz, Freiwilligkeit und Kontextsensibilität sind daher keine Kür, sondern Pflicht. Wer mit Daten arbeitet, trägt Verantwortung – nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch. Die „Creepy Line“ ist kein technischer Grenzwert, sondern ein Gefühl: Sie beginnt dort, wo Menschen sich beobachtet statt verstanden fühlen. Erfolgreiches Fundraising braucht deshalb nicht nur gute Tools, sondern vor allem ein gutes Gespür für die Menschen dahinter.
Bei inhaltlichen Fragen zu Digitalisierung im Nonprofit-Sektor erreichen Sie Jörg Reschke unter joerg.reschke@capgemini.com.

Jörg Reschke
Business Analyst und NGO-Experte
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