Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.
Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.
Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.
Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?
Miriam Wagner Long ist geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur Zielgenau GmbH in Darmstadt und Co-Gründerin der Fachgruppe Leadership, im Beirat sowie in der Jury des Deutschen Fundraising Verbands.
Liebe Miriam, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?
Hilfsbereitschaft ist eine Tugend, die tief in mir verwurzelt ist. Das habe ich dann wohl meinen Eltern und Großeltern zu verdanken, die in der Erziehung sehr darauf geachtet haben. Daher ist es schwer für mich das allererste Engagement zu datieren, denn ich war in meiner Kindheit und Jugend immer engagiert und dabei, wenn Unterstützung gebraucht wurde. In unserem Freundeskreis wurden wir von unseren Eltern immer dazu motiviert, mitzumachen, mitzuhelfen, mitzugestalten.
Bezogen auf Fundraising, gibt es einige Schlüsselmomente, die mich dank Deiner Frage zum Denken angeregt haben. So war ich früh aktiv in einem Sportverein eingebunden. Zwischen Training und bundesweiten Wettkämpfen haben wir an (Unternehmens-)Veranstaltungen geturnt, um Einnahmen für den Sportverein zu generieren. Später habe ich in der Schulzeit für das Blindenhilfswerk und für meine High School in den USA an der Haustür Spenden gesammelt. Nur habe ich diesen Aktivitäten keinen Namen gegeben. Rückblickend verstehe ich das jetzt. Es hat mich nachhaltig beeinflusst – sicherlich auch in der Berufswahl.
Du hast in den USA studiert und dort freiwilliges Engagement, Fundraising und Philanthropie in sehr unterschiedlicher Art und Weise kennengelernt. Was hat Dich dort am meisten geprägt und was hast Du für Deine heutige Arbeit in Deutschland mit Deiner Agentur Zielgenau mitgenommen?
Ja, ich habe nebenberuflich meinen Master in Nonprofit Management 2009 in den USA abgeschlossen. Und das habe ich gleich mehreren Personen zu verdanken, die mich darin bestärkt haben, dass die Arbeit in und für die Zivilgesellschaft meine Berufung ist. Dazu zählen der Geschäftsführer und Vorsitzender des Vorstands der Stiftung, für die ich gearbeitet habe. Sie haben mir die Freiräume und zugleich ein Stipendium ermöglicht. Sie haben Fundraising als Development verstanden und es war für sie verständlich, in „Capacity Building“ zu investieren.
Gleichzeitig durfte ich erleben, wie natürlich das persönliche Engagement gelebt wird. Ob in meiner amerikanischen Familie, im Freundeskreis oder auch bei den Personen, die sich für die Mission der Stiftung stark gemacht haben. Es ist fest in der DNA verankert. Das ist selbstverständlich kulturell bedingt und auf die Historie des Landes zurückzuführen. Ich bin dennoch der festen Überzeugung, dass wir vieles davon adaptieren können. Das beginnt damit, dass wir mehr darüber reden müssen; im beruflichen wie auch privaten Umfeld. Was bedeutet es eigentlich, sich zu engagieren? Wer macht was? Und vor allem, warum?
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland bin ich oft an Grenzen gestoßen. Mir wurde häufiger das Schild „So geht das hier nicht!“ vor die Nase gehalten, anstatt dass man sagte: „Lasst uns das versuchen“. Das hat mich ehrlich gesagt am meisten gestört und mein Heimweh anfänglich verstärkt. Ich beobachtete zu häufig den fehlenden Mut, Neues zu wagen, ohne es totzureden, bevor es überhaupt gestartet ist. Und ich beobachte auch die Angst, Fehler zu machen. Ich war schon früh anders gepolt, nicht zuletzt durch meinen Mentor, der mir immer predigte: „Miriam, with responsibility comes accountability. Are you ready to take this on?“ Das war wohl eher eine rhetorische Frage…
"Was habe ich also mitgenommen für meine Arbeit in Deutschland? Fundraiser*innen müssen förderzentriert denken und die Mission als Leitfaden für ihr Tun und Handeln aktiv einsetzen. Dabei können Fehler passieren – das ist menschlich. Und letztlich ist Fundraising für mich nicht ein stures Reiten auf einzelnen Methoden, sondern ein verbindendes Transportmittel, das Menschen zu einer Teilhabe einlädt, die Welt ein Stückchen besser werden zu lassen. Deshalb verstehe ich mich als ‚T-shaped Fundraiserin’!"
Gab es Schlüsselmomente, die Dir gezeigt haben, dass Du gesellschaftlich etwas tun willst und musst? Und was sind Deine Ziele zurzeit?
Ich kann heute von Glück sagen, dass ich damals über die Stellenanzeige bei der Foundation gestolpert bin. Und so bin ich, wie viele von uns, zufällig hauptberuflich ins Fundraising gestolpert.
"Menschen, die eine Vision haben, inspirieren mich. Menschen, die mithelfen, diese Vision zu verwirklichen, motivieren mich. Und dazu zählen viele Schlüsselmomente."
Das ist auch ein Grund, warum ich mich aktuell für Mothers in Science engagiere. Hinter dieser globalen Initiative stecken brillante und clevere Frauen, die dem Gender Gap in STEMM entgegenwirken. Wie wichtig Forschung ist, haben uns die letzten Monate erwiesen. Gesundheit ist für mich kein Privileg, sondern ein Grundrecht. Daher engagiere ich mich hier als Fundraiserin ehrenamtlich.In unseren Videokonferenzen sind wir alle vereint als engagierte Mütter aus Singapur, Frankreich, Australien, Kanada, usw. Ich bin einfach dankbar, einen kleinen Beitrag dazu leisten zu können und diesen Forscherinnen und Wissenschaftlerinnen zuhören zu dürfen.
Wie hat Dein kontinuierliches ehrenamtliches Engagement Deinem beruflichen Werdegang geholfen? Von welchen Netzwerken profitierst Du heute noch und wie verzahnen sich vielleicht Haupt- und Ehrenamt bei Dir auch ineinander?
Weil mich das Thema Rahmenbedingungen auch im Fundraising (täglich) beschäftigt, engagiere ich mich auch im Deutschen Fundraising Verband. Wobei das für mich selbstverständlich ist. Warum? Weil ich hier Zuhause bin. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich über die Fachgruppe Frauen Anschluss zu „Gleichgesinnten“ gefunden. Auch dank meiner damaligen Mentorin bin ich endlich angekommen und habe meinen Weg gefunden.
Ich habe inzwischen so viele Expert*innen und engagierte Menschen kennenlernen dürfen, die mich alle unterschiedlich geprägt haben. Von ihnen lerne ich so viel, das kann ich nicht bemessen. Aber dafür will ich mich bedanken und mit meinem Engagement etwas zurückgeben.
Daher ist es für mich selbstverständlich, dass auch ich meine Erfahrungen und mein Wissen teile oder mich engagiere. Zuletzt in der Jury des Deutschen Fundraising-Preises oder in der Co-Gründung der Fachgruppe Leadership, gemeinsam mit Ulrike Herkner.
Was bedeutet Leadership für Dich, vor allem im gemeinnützigen Sektor und speziell im Bereich des Fundraising? Und was ist Deine Vision hierbei?
Während meines Masterstudiums wurde ich nach dem Unterricht zu einem Gespräch geladen. Es war mein Dozent für das Fach „Philanthropy“. Er sagte mir, dass ich nicht die Welt retten könne, wenn ich mich selbst meiner Kräfte raube. Problem: Wenn ich Probleme sehe, möchte ich sie lösen. Wenn ich weiß, dass ich helfen kann, dann kann ich nicht wegsehen. Die Gradwanderung zwischen Selbstaufgabe und Engagement ist unangenehm, aber ich muss mich damit auseinandersetzen. Und das tue ich verstärkt seit einiger Zeit.
"Daher fängt für mich Leadership zunächst mit mir selbst an. Ich kann meine Community, meine Organisation nur gut führen, wenn ich meiner selbst bewusst bin. Und ich erlebe täglich, dass es anderen ähnlich ergeht. Dass sie viel mehr erreichen könnten, wenn sie sich ihrer Rolle bewusster sind und auch ihrem Umfeld vertrauen."
Die Zivilgesellschaft ist für mich einer der wichtigsten Hebel, die Welt besser zu gestalten. Ich möchte nicht nur ein Problem lösen können, sondern viele. Daher gehe ich das Thema Leadership an. Jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich eine Plattform mitgestalten kann, darf und möchte. Mit der Stiftung Leaders of Tomorrow, gemeinsam mit meinen Mitstreitern Jan Uekermann und Christian Osterhaus, gehe ich genau dieses Thema an. Wir wollen (angehende) Führungskräfte in ihrem Wirken in der Zivilgesellschaft stärken. Von ihr geht die Stärkung des demokratischen Gemeinwesens aus.
Rückblickend haben sich die verschiedenen Erfahrungen zu einem Puzzle gefügt. Es ist die nächstlogische Ergänzung in meinem Portfolio im Fundraising-Development.
3 Antworten in einem Satz
Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt oder auch den Feldern, in denen du dich engagierst, gelesen, das dich nachhaltig beeindruckt hat?
Give a Little: How Your Small Donations Can Transform Our World” von Wendy Smith.
Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?
Mehr Anerkennung seitens der Legislativen und Gleichstellung mit den anderen Sektoren.
Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist dein Credo?
(Zu schnell) aufgeben is‘ nicht, loslassen muss gelernt sein.
Miriam Wagner Long
Co-Gründerin & Gesellschafterin
Stiftung Leaders of Tomorrow
Geschäftsführende Gesellschafterin
Agentur Zielgenau GmbH
Co-Gründerin der Fachgruppe Leadership
im Beirat sowie in der Jury des Deutschen Fundraising Verbands
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