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Benjamin Holm im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Benjamin Holm hat Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis in Hildesheim studiert und arbeitet seit 2006 als Referent in der Stiftung Deutsch Russischer Jugendaustausch (DRJA), mittlerweile als Referatsleiter Innovation und Qualitätsentwicklung.



 

Lieber Benjamin, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Bewusst erinnere ich mich daran, dass ich mich in der Umwelt-AG meiner Schule engagiert und den Verkauf von Recyclingpapier und Tinte zum Nachfüllen für Kolbenfüller mit propagiert habe. Durch eine Schülerin aus der Oberstufe waren wir an die Umweltinitiative JANUN in Niedersachsen landesweit angeschlossen. Absolutes Highlight, an dass ich mich erinnere: Wir haben als Öffentlichkeitsaktion “Atomkraftwerke zum Vernaschen” gebastelt, aus Keksen, Dominosteinen (Reaktorblock), Minischokokuss (Kühlturm) und grünen Gummibärchen als verstrahlte Menschen und das dann im Lehrerzimmer gegen Spende verkauft. Das war ein gutes Geschäft und hat richtig Spaß gemacht. Das war damals schon Storytelling, ohne dass ich das damals so benennen konnte… und natürlich auch hinsichtlich der Energiewende heute wie damals ein wichtiges Thema.

Meine Motivation war es also damals anscheinend, mit meinen Freund:innen die Welt zu retten. Nun ja, ich denke, meine Eltern im Vorhof des Wendlands konnten eine gewisse Politisierung nicht verhindern. Ich bin mir sicher, dass es mir aber vor allem auch um das gemeinsame Anliegen in der Gruppe ging. Da fühlte ich mich wohl und habe Selbstwirksamkeit erfahren.


Wir kennen uns beide schon lange, haben zusammen in Hildesheim Kulturwissenschaften studiert, arbeiten inzwischen auch hauptamtlich zusammen und engagieren uns gemeinsam für den Verein Hamburger mit Herz, der in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Was macht für Dich eine gelungene Engagement-Kultur im Vereinswesen unter Einbezug von ehrenamtlichem Engagement aus?


Ganz zentral sind für mich die Themen Mitbestimmung und Demokratie - für mich die härteste Nuss, die es zu knacken gilt, denn oftmals dauert es lange, bis man in einem Verein eine demokratische Kultur geschaffen hat, in der Ausprobieren möglich ist, Machtspiele nicht im Vordergrund stehen, Teamwork, Wertschätzung und Respekt für Engagement im Zentrum sind. Das ist das kleine Ehrenamts-1x1 und muss immer wieder eingeübt werden mit denjenigen, die den jeweiligen Wirkungsort gestalten.

“Inspiriert haben mich dabei oft meine Pfadfinderinnen und Pfadfindern im Jugendverband: Auch wenn hier traditionelle Hierarchien und bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts auch eine ziemliche Männerwirtschaft herrschten, hat man es schon seit den 90er jahren geschafft, eine Stimmung zu erzeugen, die Fortschritt möglich macht: Oftmals kandidieren dort sehr gemischte Teams für Vorstandsämter zusammen und bringen viel gutes Handwerkszeug und Traditionen mit, um z.B. Dank für geleistetes Engagement auszudrücken oder auch einen guten Raum für Kritik zu schaffen. Das beeindruckt mich sehr bis heute, auch wenn ich nicht mehr selbst vor Ort aktiv bin.”

Du hast schon so viele spannende Projekte mit aufgebaut oder ins Leben gerufen. Welche Werkzeuge sind für Dich wichtig, um ins Handeln und Umsetzen zu kommen, und woran siehst Du, dass ein Projekt erfolgreich ist?


Ich sehe mich sehr als Sammler, um genau diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, denn oft sind es ja viele Faktoren. Ein zentraler Baustein dabei ist sicherlich, mit sich selbst klar und wahrhaftig zu sein und Motivation zu haben für ein Projekt. Im Ehrenamt spielt das auch für die Überzeugung der anderen im Team eine zentrale Rolle: Selbstmotivation als Mindset.

Des Weiteren braucht es Vertrauen und Leadership, um Mitstreiter zu überzeugen, dabei zu sein. Denn ohne ein Team von Gleichgesinnten geht es nicht. Und ganz wichtig dabei ist: Sie sollten sich einig sein über die wichtigsten Ziele und über die zu gehenden Wege kann gerne herzlich zusammen gestritten werden.


Wenn Du Dir ein für Dich perfektes Projekt im gemeinnützigen Bereich wünschen dürftest: Wie sähe dies aus, was würdest Du gerne in nächster Zeit verwirklichen?


Ich glaube tatsächlich, das, was u.a. die Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt (du hattest neulich ja auch Katarina Peranic hier vorgestellt), aber auch viele andere in diesem Feld als ein zentrales Momentum nutzen, ist es, Engagement aus der “uncoolen Ecke” zu holen und durch zeitgemäße Ansprache, aber auch Förderung entsprechender Netzwerke/ Vereine etc. eine Basis zu schaffen, um mehr Engagement möglich zu machen. Da habe ich mehrere Ideen im Kopf, die ich platzieren möchte.

“Ich stelle mir eine Art “Soziales Fitnesscenter-Netzwerk” vor, welches den Leuten klar macht: Du musst dich fit halten, körperlich aber auch sozial und da haben wir spannende Ehrenämter anzubieten und bilden dich auch gerne dafür aus.”

Dafür suche ich noch nach interessierten Partnern, die das mit mir zusammen auf den Weg bringen. Auch durch die zunehmende Säkularisierung müssen wir schauen, dass wir zeitgemäße Anlaufpunkte schaffen, die die Leute positiv inspirieren, sich aktiv einzubringen.


Was braucht es aus Deiner Sicht an Umdenken für den gemeinnützigen Sektor hinsichtlich erfolgreicher Zusammenarbeit und Synergieeffekten?


Ich wünsche mir, dass es gelingt, dezentrale, aber verknüpfte kollaborativ gedachte Netzwerke aufzubauen, die Engagement sichtbarer, aber auch sortierbarer und lokal verortbarer machen und die Digitalität nutzen, um Engagement besser auffindbar und Kooperationen einfacher zu machen.


Neben Deinem Engagement in der Flüchtlingshilfe hast Du als eingefleischter Pfadfinder ein beeindruckendes und wegweisendes Aufklärungsprojekt bezüglich sexuellen Missbrauchs mit auf die Beine gestellt. Wie ist der aktuelle Stand, was sind die nächsten Ziele? Willst Du unseren Leser*innen davon etwas erzählen?


Sehr gerne. Der Pfadfinderverband, dem ich seit meiner Kindheit angehöre, hat sich relativ früh mit dem Thema sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen beschäftigt, ja beschäftigen müssen. Als Funktionär habe ich, haben wir, wie auch andere, uns bereits seit den 2000er Jahren vor allem mit Prävention und Intervention aktueller Fälle beschäftigt.

Als Jugendverband, wo die meisten Führungskräfte Mitte 20 sind und ein relativ großer Durchlauf herrscht, da Verantwortung im Ehrenamt ständig an Jüngere weitergegeben wird, brauchten wir dennoch eine Zeit bis vor wenigen Jahren, um zu begreifen, dass Institutionelle Verantwortung auch bedeutet, für vergangenes Unrecht Verantwortung zu übernehmen.

Das bedeutete für uns, dass wir 2016 mit ein paar ehemaligen Führungskräften einen Prozess angestrengt haben, dessen Ziel es ist, eine wissenschaftliche Aufarbeitung der institutionellen und kulturellen Verantwortung der Pfadfinderorganisation zu klären. Das passiert gerade durch das IPP (Institut für Praxisforschung und Politikberatung) und führt - schon jetzt - zu erstaunlichen Reflexionsprozessen in der Organisation. Da die Beratung unabhängig ist, werden die Ergebnisse – ohne denkbare Interventionen der betroffenen Organisation – öffentlich und das finde ich großartig:


Uns beide treibt ja das Thema Förderung von Jugendaustausch für Völkerverständigung um. Was bedarf es da für aktuelle Ideen, um es mal vorsichtig auszudrücken, hinsichtlich der aktuellen schwierigen weltpolitischen Zusammenarbeit?


Das ist für mich eine große Frage, vielleicht zu groß! An dieser Stelle muss ich zugeben, so wie viele andere auch, einigermaßen ohnmächtig zu sein. Leider habe ich Geopolitik bis zum 24. Februar diesen Jahres deutlich unterschätzt. Natürlich dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben, aber zur Zeit sehe ich ziemlich schwarz , was die Auseinandersetzung mit Russland, aber auch mit China angeht.

“Was mir in meinem Engagement am meisten Mut macht, sind die vielen jungen Menschen, die vor allem seit 2015 nach Deutschland gekommen sind und - gerade jetzt - auch verstärkt kommen. Viele von ihnen sind begeistert von unserer demokratischen, freien, pluralistischen Gesellschaft und führen mir oft vor Augen, dass das eben nicht selbstverständlich ist.”

Ich glaube, dass gerade in der Integration und dem Dialog mit diesen Menschen, seien sie aus Syrien, der Ukraine, aber auch Russland, ein Schatz zu heben ist: Wenn es Deutschland gelingt, diese Menschen wirklich aufzunehmen, sehe ich zumindest hoffnungsvoll in die Zukunft, die einem zuweilen ja auch Angst machen kann.

Auch möchte ich die Notwendigkeit der Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft durch die Politik, Wirtschaft aber auch durch jeden einzelnen Bürger unterstreichen: Um unsere freie Gesellschaft zu erhalten und auch so etwas wie eine Wertegemeinschaft als Gegenmodell zu Autokratien stark zu machen, muss jedem klar sein, dass dies auch seinen Raum braucht - auch durch Förderung und z.B. verbesserten steuerlichen Begünstigungen für NGOs und vor allem auch durch individuelles Engagement und Spenden! Unsere Demokratien brauchen jeden Einzelnen, um sich zu verteidigen.

 

Und zum Schluss – 3 Fragen in je einem Satz:


Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt/Engagement oder auch den Feldern, in denen Du Dich engagierst, gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

Das Engagement und der Spirit von Greta Thunberg beeindrucken mich sehr:

Ich will, dass ihr in Panik geratet!


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor oder auch für den Kultursektor frei hättest, welcher wäre das?

Ich wünsche mir deutlich mehr Präsenz im öffentlichen Raum aus dem Dritten Sektor. Kultur und Ehrenamt sind sinnstiftend und geben Menschen Halt und Perspektive.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Ich wills nicht zu pathetisch machen, aber vielleicht soweit:

Kommt raus aus euren Büros und Wohnzimmern ins echte Leben und fangt an, gemeinsam was auf die Beine zu stellen!

 
Carola von Peinen

Benjamin Holm

Engagiert sich in zahlreichen gemeinnützigen Organisationen.

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