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Udo Philipp im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Udo Philipp

Udo Philipp (* 1964) ist ein deutscher Manager, politischer Beamter und Politiker (Bündnis 90/Die Grünen). Er ist seit dem 15. Dezember 2021 Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Davor war er von 2019 bis 2021 Staatssekretär im Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein.




 

Lieber Udo, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Ich habe recht spät angefangen, mich ehrenamtlich zu engagieren. Mein jüngerer Sohn ging zur Waldorfschule. Diese musste finanzielle Entscheidungen von großer Tragweite treffen und brauchte dafür spezifischen Sachverstand. Da habe ich mich zusammen mit anderen Eltern in einem Finanzbeirat engagiert.


Du hast in den USA studiert und dort freiwilliges Engagement, Fundraising und Philanthropie in sehr unterschiedlicher Art und Weise kennengelernt. Was hat Dich dort am meisten geprägt und was hast Du für Deine heutige Arbeit in Deutschland und Dein persönliches gemeinnütziges Engagement mitgenommen?


In den USA gibt es ein ganz anderes Pathos für das Gemeinwohl. Es war völlig normal davon zu sprechen, dass man davon getrieben ist die Welt zu verbessern - „to make the world a better place“. Das haben die Leute nicht nur so daher gesagt, sondern sie meinten es wirklich. Am Ende eines Semesters hat ein Professor von uns eine extrem leidenschaftliche Rede gehalten und uns deutlich gemacht, wie privilegiert wir wären in Harvard studieren zu dürfen, Tausende hätten gern unseren Studienplatz gehabt. Wenn wir das nicht als Auftrag sehen würden, um die Welt zu verbessern, würden wir uns versündigen. Das war eine unglaublich beeindruckende Rede. Und recht hat er. Es ist eine Schande, seine Talente nicht im Sinne des Gemeinwohls zu nutzen.


Wie hat Dein kontinuierliches ehrenamtliches Engagement Deinem beruflichen Werdegang geholfen? Von welchen Netzwerken profitierst Du heute noch und wie verzahnen sich vielleicht Haupt- und Ehrenamt bei Dir auch ineinander?


Nach meinem Ausscheiden aus einer Vollzeit-Managementtätigkeit habe ich zunächst mehrere Jahre nur in Teilzeit gearbeitet, um ausreichend Zeit für ehrenamtliche Tätigkeit zu haben. Das war enorm wichtig für mich, um mich auf meine Aufgabe als Staatssekretär vorzubereiten. Einerseits habe ich so ein großes Netzwerk aufgebaut und die Menschen kennengelernt, die mir anschließend eine so große Aufgabe anvertraut haben. Andererseits habe ich dadurch die Position der Zivilgesellschaft in der Tiefe kennengelernt und auch mitgestaltet. Dies erleichtert mir meine Arbeit sehr.


Seit Jahren setzt Du Dich sowohl ehrenamtlich als Berater für verschiedene NGOs als auch als Mitglied der GRÜNEN Partei (zuletzt als Staatssekretär für Finanzen in Schleswig-Holstein und nun als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) für nachhaltige Finanzmärkte ein, hast dazu auch publiziert. Was sind Deine aktuellen Gedanken dazu und wie wird die neue Regierung Deine Impulse dazu angehen?


Im Koalitionsvertrag sind einige Punkte enthalten. Das Thema Nachhaltigkeit der Finanzmärkte ist inzwischen zum Glück nicht mehr nur Thema einer kleinen grünen Minderheit. Auch viele große private Akteure im Finanzmarkt stehen für Nachhaltigkeit und respektieren harte ESG (ökologische, soziale und ethische) Kriterien. Das gleiche gilt für Nachhaltigkeit im Sinne von Stabilität auf den Finanzmärkten. Natürlich bildet der Koalitionsvertrag nicht die reine Lehre ab und enthält viele Kompromisse. Dennoch ist er ein Fortschritt.


Du hast die Koalitionsverhandlungen als Teil einer Fachgruppe mit begleitet. Was war dabei genau Deine Rolle, welche Themen hast Du mitverhandelt und hast Du auch mit Partnern aus der Zivilgesellschaft zu tun gehabt? Um welche Themen ging es da vorrangig?


Ich habe in der Arbeitsgruppe Soziales, Rente und Inklusion verhandelt und dort insbesondere das Thema Rente. Wir konnten auch hier einige Fortschritte erzielen, z.B. eine verpflichtende Altersvorsorge mit harten Kriterien für Selbständige. In anderen Bereichen sind wir nicht so weit gekommen, insbesondere mit dem Thema Reform der Riesterrente, wo wir uns einen Bürgerfonds gewünscht hätten, sprich einen öffentlich verwalteten Fonds ohne Gewinnabsicht, in den die Bürgerinnen und Bürger anstelle von Riester hätten einzahlen können. Zu diesem Thema war ich in engem Austausch mit der Zivilgesellschaft, insbesondere den Verbraucherschützern. Zum Glück gibt es wenigstens einen Prüfauftrag zu dem Bürgerfonds im Koalitionsvertrag.


Im Koalitionsvertrag werden viele Anregungen von Vertretern der Zivilgesellschaft positiv umgesetzt. So wird auch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ausführlich behandelt. Kannst Du schon etwas dazu sagen, wie soll beispielsweise der Austausch mit dem gemeinnützigen Bereich dazu erfolgen? Wird es einen übergreifenden Ansprechpartner in der Regierung geben, zum Beispiel mit einem Engagementausschuss? Was sind die nächsten Schritte?


Für mich persönlich ist es eine besondere Freude, dass das Gemeinnützigkeitsrecht für politisch tätige NGOs reformiert werden soll, um die Unsicherheit, die nach dem Attac Urteil des BFH entstanden ist, zu beenden. Ich habe mich als Staatssekretär im Finanzministerium Schleswig-Holstein sehr für eine solche Reform eingesetzt, weil ich der Meinung bin, dass wir eine politisch aktive Zivilgesellschaft als Gegengewicht zu den bestens finanzierten Wirtschaftslobbyorganisationen brauchen. Mein Staatssekretärskollege Sven Giegold, der im Wirtschaftsministerium für den Mittelstand zuständig ist, wird übrigens einen klaren Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Förderung der gemeinwohlorientierten Wirtschaft legen.


Kannst Du genaueres zum Lobby-Register sagen? In einigen Austauschrunden habe ich beobachtet, dass Vertreter der Zivilgesellschaft das Lobby-Register mitunter auch als Bringschuld oder Misstrauen empfinden und solch ein Register auch dem angestrebten Bürokratieabbau entgegenstehen würde. Wie schätzt Du das ein?


Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass die Allgemeinheit weiß, welche Lobby welchen Einfluss auf die Gesetzgebung hat. Momentan ist es leider gang und gäbe, dass ganze Passagen von Gesetzen aus der Feder der Wirtschaftslobby stammen. Ein Lobby-Register ist ein Schritt zur verbesserten Transparenz. Transparenz muss dann aber auch für alle gelten, auch für die Lobby der Zivilgesellschaft.


Was erwartet dich nun in der ersten Zeit konkret in Deiner neuen Rolle in Berlin? An was arbeitest Du gerade, was sind Deine nächsten to dos? Willst Du den Leser*innen da einen ganz kurzen Einblick geben?


Derzeit bin ich ganz akut immer noch mit Corona beschäftigt: mit großen Unternehmen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund der Pandemie bedingten Einschränkungen sind und mit Impfstoffproduktion. Aber bald wird hoffentlich die grundlegendere Arbeit losgehen: z.B. die Dekarbonisierung der Industrie oder die Förderung von Gründerinnen und Gründern.

 

3 Antworten in einem Satz:


Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt/Engagement oder auch den Feldern, in denen Du Dich engagierst, gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

Das Buch „Machtwirtschaft“ von Gerhard Schick, einem meiner politischen Mentoren, spricht mir sehr aus dem Herzen.


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?

Dass künftig ganz im Sinne der Zivilgesellschaft auch politisches Engagement von NGOs gemeinnützig ist.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Never give up – steter Tropfen höhlt den Stein.

 
Udo Philipp

Udo Philipp

Staatssekretär

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

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