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Tobias Rau im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Tobias Rau ist Gründungsmitglied von Viva con Agua (VcA) und dort aktuell geschäftsführender Vorstand. Nach einer Ausbildung studierte er Sport in Kiel, machte mehrere Fortbildungen zur Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung. Außerdem beschäftigte er sich als Outdoortrainer und Erlebnispädagoge mit Gruppenprozessen und den dazugehörigen Dynamiken.

 

Lieber Tobias, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Gute Frage. So richtig erinnere ich mich nicht mehr. Denke aber, das war wohl schon im Kinder- oder Jugendalter im Sportverein unter anderem. So richtig dann aber im Alter von 20 Jahren in Nicaragua, in einem Kinderheim für Ex-Straßen- und Waisenkinder.


Was denkst Du, hat Dich in Deiner Entwicklung und Deinem Werdegang stark geprägt?


Also mit Sicherheit das Aufwachsen als ältester Sohn von sieben Kindern. Sicher auch die frühe Auseinandersetzung mit Spiritualität, meine 14 Monate in Nicaragua, meine vielen Reisen in Afrika und Südamerika und selbstverständlich auch die letzten 16-17 Jahre, die intensiv durch Viva con Agua geprägt waren.


Was im Speziellen hat Dich dabei nachdrücklich beeinflusst?


Naja, wenn du dich früh mit Gott und Spiritualität beschäftigst, ist dir schnell klar, dass es mehr gibt als das, was unsere Augen wahrnehmen können. Ich habe mich früh mit „großen Fragen“ des Lebens auseinander gesetzt. Das prägt dann schon deine Wahrnehmung und mit welcher Einstellung du dem Leben begegnest.


In einer Großfamilie sind Meinungsverschiedenheiten, Konflikte, begrenzte Ressourcen, Liebe und Zusammenhalt „täglich Brot“. Zumindest war das in meiner Familie so... . Seit ich also denken kann, bin ich Teil von einer größeren Gruppe mit allen dazugehörigen Dynamiken und Prozessen. Kompromisse einzugehen auf der einen Seite, sich aber auch durchzusetzen auf der anderen Seite, ist da ebenso ein ewiges Spiel, wie sich abzugrenzen und die Spannung und das Paradox zwischen ich und wir auszuhalten.


Meine Zeit in Nicaragua und die vielen Reisen waren vor allem wertvoll, um mir meiner Privilegien bewusst zu werden. Das hat viel zu Demut und Dankbarkeit geführt. Aber natürlich auch zu dem Wunsch, mein Glück und Privileg mit anderen Teilen zu wollen, aktiv zu werden und die Welt ein Stück weit gerechter zu gestalten.


Du hast vor fast 17 Jahren mit Freunden Viva con Agua mitgegründet. Inzwischen ist Viva con Agua ein weltweit agierendes Netzwerk geworden, das sich für den sichereren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung einsetzt. Wie ist es euch gelungen, innerhalb von doch relativ kurzer Zeit so stark zu wachsen und mit euren zahlreichen Social Businesses ein funktionierendes Konstrukt aufzubauen, das WASH-Projekte weltweit unterstützt?


Freundschaft. Engagement. Viel Arbeit. Learning by doing. Auch etwas Glück zur rechten Zeit die richtigen Leute zu treffen. Den Mut, Sachen und Ideen auszuprobieren und natürlich vor allem durch ganz viel Unterstützung von richtig vielen Menschen, die Viva con Agua auch zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht haben.


Inzwischen habt ihr ein Netzwerk mit Tausenden von Menschen, die sich für Euch haupt- und ehrenamtlich weltweit engagieren. Was ist Euer Erfolgsrezept, welche entscheidenden Säulen gibt es für Eure Teamkultur?


Unsere Kultur bei VcA beruht auf den Säulen: Verbindung, Freude, Potenzial und Entwicklung. Was das in der Tiefe bedeutet, würde an dieser Stelle, glaube ich, den Rahmen sprengen. Was aber für Teams, Gruppen und Netzwerke essenziell sind, ist eine klare Mission. Ein Ziel, auf das sich alle committen können. So formieren sich Teams und Gruppen. Zusammengehalten werden sie durch wiederkehrende Rituale. Das ist sozusagen der Klebstoff.


So fahren wir z.B. mit unserem Hauptamt seit jeher einmal jährlich auf eine sogenannte Organisationsentwicklungswoche. Dort beschäftigen wir uns mit uns. Es geht um Verbindung und Teambuilding, auch darum zusammen zu feiern. Es geht darum, die Rahmenbedingungen unserer Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und um die Ausrichtung auf den Kern unserer Arbeit. Natürlich sind zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Themen dran. Aber der Zeitpunkt und die Woche außerhalb Hamburgs sind gesetzt.


Wir teilen unser Jahr in unterschiedliche Phasen ein. Jede Phase ist wichtig, hat aber unterschiedliche Schwerpunkte/Ausrichtungen. Die Phasen strukturieren unser Jahr und geben uns Orientierung. Einen Rhythmus.


Einmal im Jahr (auch immer zum selben Zeitpunkt mit Ausnahmen der Corona Jahre) kommt das Ehrenamt zum sogenannten Netzwerktreffen zusammen. Um sich auszutauschen, zu vernetzen und um sich in zahlreichen Workshops über Engagement, Wasser und Viva con Agua zu beschäftigen. Das sind zum Beispiel zwei wichtige Rituale.


Mitgestaltung, Mitsprache, Partizipation, flache Hierarchien und all Profi - das heißt alle, die sich bei VcA engagieren, sollen auch ihren eigenen Benefit haben- sind ebenfalls sehr wichtige Aspekte, glaube ich, warum viele Menschen Lust haben bei VcA mitzumachen.


Was glaubst Du, kann der gemeinnützige Sektor von Euch lernen? Worin seid ihr besonders gut?


Da muss ich vorneweg sagen, dass wir auch noch sehr viel lernen können und müssen. Es hört sich manchmal so an, als sei VcA perfekt - aber das sind wir bei weitem nicht.


Ich glaube, was VcA gut macht, ist schweren Themen mit einer gewissen Leichtigkeit zu begegnen. Helfen soll, ja muss, vielleicht sogar Spaß machen, wenn es langfristig und nachhaltig sein soll. Wir versuchen nicht mit schlechtem Gewissen oder Angst Leute zum Spenden und zum Engagement zu bewegen, sondern eher aus einer Haltung der Verantwortung und der Freude am Teilen. Wir möchten Leute einladen und inspirieren, sich mit uns zu verbinden und Teil unserer Mission zu werden.

 

Und zum Schluss: zwei Antworten in je einem Satz!


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?

Stärkere Zusammenarbeit, Bündelung von Synergien und dass wir die Topleute aus der freien Wirtschaft in den sozialen Sektor ziehen können.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist dein Credo?

Nur ein engagiertes Leben ist ein gutes Leben. Teilen macht reich, ebenso ist es wichtig, häufiger Mal die Perspektive zu wechseln.

 
Carola von Peinen

Tobias Rau

Viva con Agua

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