Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?
Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.
Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und seit 2023 Leitung Fundraising der Abteilung Engagement & Partnerschaften bei der Hamburger Kunsthalle in Doppelspitze.
Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.
Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?
Unser Mensch des Monats ist Neven Subotić. Er wurde im früheren Jugoslawien geboren und kam im Alter von zwei Jahren nach Deutschland. Als die Abschiebung drohte, ging die Familie in die USA. Da war er zehn Jahr alt. Acht Jahre später kehrte er als Fußballer zurück nach Deutschland. Mit Borussia Dortmund wurde er Pokalsieger und zwei Mal Meister. Neven Subotić ist seit 2012 Vorstandsvorsitzender der von ihm gegründeten well:fair foundation. Seine Organisation fördert den Bau von Brunnen und Sanitäranlagen in Äthiopien, Kenia und Tansania.
Lieber Neven, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?
Als ich mit 17 nach Deutschland gezogen bin, um Fußball bei Mainz 05 zu spielen, übernahm ich eine Kooperation mit einem Kinderhaus, in dem Kinder lebten, deren Eltern nicht mehr lebten und sich so nicht mehr um die Kinder kümmern konnten. Das ist offensichtlich eine schwere Ausgangslage entgegen dem idyllischen Familienbild, welches andere Kinder im Alltag erleben dürfen. Mich motivierte damals die einfache Tatsache, dass hier eine Ungerechtigkeit angegangen wird und auch die bedeutsamen Verbindungen zu den Menschen waren zusätzliche Motivationsfaktoren.
Du hast vor über 12 Jahren als Profisportler beschlossen, eine Stiftung zu gründen. Was hat Dich dazu bewegt?
Erstmal war die Gründung einer Stiftung eine Empfehlung von Dr. Milicevic, meinem Vermögensmanager, der nun mein Vorstandskollege ist und damals schon zu meinen Vertrauten gehörte. Die Empfehlung kam zu einem Zeitpunkt, als ich selbstkritisch sah, dass mein Engagement enttäuschend war. Zwar war ich engagiert, doch es ging häufig nur um eine symbolische Rolle - ohne eine tiefgründige inhaltliche Ebene. Der Schritt zur Gründung der Stiftung erfolgte deshalb, um mein Engagement so zu gestalten, wie ich dachte, dass es richtig sei. Unter anderem ging es darum, mich gedanklich und finanziell langfristig einzusetzen. Daraus hat sich auch ein gewisses funktionelles System etabliert, das mich bis heute bei well:fair bestärkt.
Neben dem funktionellen Teil war schon seit Anfang an klar, dass ich mich nicht auf meine Herkunft beschränken möchte. Ich wollte zu einem Zukunftsbild beitragen wollte, in dem Menschenrechte für alle gelten - mit einer Priorisierung auf die Menschen in den ärmsten Regionen der Welt.
well:fair setzt sich für Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene in Afrika ein. Was sind eure konkreten Projekte - was habt ihr in letzter Zeit geschafft, was wollt ihr erreichen?
Unsere Projekte laufen wie am Fließband, da wir langfristige Strategien und Partner in gezielten ländlichen Regionen von Tansania, Kenia und Äthiopien haben. Mittlerweile wurden über 500 Projekte realisiert für ca. 250.000 Menschen. Bis Januar 2025 werden wir auch unsere Zielsetzung von 300.000 Menschen erreichen, und von dort aus auf das Jahr 2030 blicken. Die genaue Zielsetzung werden wir noch erarbeiten, doch wahrscheinlich möchten wir mit Projekten, die langfristig funktionieren mithilfe eines stabilen Umfeldes eine Million Menschen erreichen.
Welche Themen beschäftigen Dich gerade hinsichtlich des gemeinnützigen Sektors?
Da ich noch mit 4S Solutions GmbH eine Salesforce-Agentur leite, ist Digitalisierung etwas, woran ich viel Interesse habe und Freude darin spüre, wenn andere Organisationen sich dadurch weiterentwickeln. Zudem ist Qualitätsmanagement ein weiteres Thema, welches unter anderem Prozessoptimierung beinhaltet, was mir auch Spaß macht und wo ich merke, dass es einen großen Impact hat. Impact beginnt nicht erst außen, sondern erstmal sollte von Innen heraus die Grundlage geschaffen werden. Wie man das genau realisiert, bleibt langfristig mein Thema.
Du bist ja seit einigen Jahren im gemeinnützigen Bereich unterwegs – was würdest Du aus dem Profisportbereich gerne in den gemeinnützigen Bereich übertragen, was können NGOs aktuell von anderen Bereichen zum Beispiel aus der Wirtschaft lernen?
Im Fußball hatten die erfolgreichsten Teams immer ein klares Ziel vor Augen: Die Rolle des Einzelnen für das große Ganze zu spüren. Die Spieler kamen mit einem hohen Selbstanspruch an sich. Die Entwicklung der Organisation sowie der Spieler war ein dauerhaftes Ziel. Das sind zwar einfache Themen an sich, doch es braucht wirklich viel Arbeit, alles verständlich und spürbar zu machen und dem Weg jahrelang treu zu bleiben, bis er sich verfestigt. Spaß gehört sicherlich auch dazu als Balance, doch er sollte nicht der Treiber sein. Diese relativ einfachen Dinge würde ich gerne häufiger sehen, weil sie einfach funktionieren, um dauerhaft Höchstleistung als Gesamtteam zu bringen.
Was hat Dir persönlich bei der Umsetzung Deiner non-profit Arbeit bislang geholfen?
Ich mag Sachbücher und habe früh angefangen, die Wissenschaft als Grundlage zu nehmen für meine und unsere organisatorische Weiterentwicklung. Von der Organisation der Organisation, bis hin zu Themen wie Digitalisierung und Qualitätsmanagement konnte ich schnell einen fachlichen Einstieg realisieren, der mir Sicherheit gibt, da diese Themen für jede Organisation gelten. Mein wichtigstes Tool als solches ist die grundsätzliche Selbstkritik, die mir hilft, die Dinge zu sehen wie sie sind, anstatt so, wie ich sie gerade sehe.
Und zum Schluss: Drei Antworten in je einem Satz!
Welches Buch hast Du bezüglich Ehrenamt oder Engagement gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?
Ich mag es, immer die Le Monde / TAZ Editionen von dem Atlas der Globalisierung zu lesen, die alle paar Jahre herauskommen, da dort die Verbundenheit, Abhängigkeit sowie Risiken und Entwicklungen dargestellt werden. Das zu lesen, motiviert mich auch zu gewissen Entwicklungen beizutragen – in meinen limitierten Möglichkeiten als eine Person.
Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?
Professionalisierung parallel zu einer Spezialisierung, damit wir in 20 Jahren effektiver kollaborieren können und müssen - denn ich glaube, so werden wir ganzheitliche Lösungen schaffen und zu Entwicklungen beitragen können.
Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?
Meine Mutter sagte immer “When the going get's tough, the tough get's going”… Und ich hoffe, dass wir gemäß dieses Spirits die Toughsten (Härtesten) bleiben entgegen allen Herausforderungen, die uns der kommenden Zeit alle erwarten. Denn die Zukunft sieht nicht rosig aus, deshalb sollten wir uns daran messen, dem direkt zu begegnen, anstatt uns unterdrücken zu lassen.
Neven Subotić
Vorstandsvorsitzender
well:fair foundation
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