Joshua Hofert im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen
- jschumacher84
- 1. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Juli
Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?
Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.
Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und seit 2023 Leitung Fundraising der Abteilung Engagement & Partnerschaften bei der Hamburger Kunsthalle in Doppelspitze.
Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.
Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

Joshua Hofert ist seit 2022 Vorstand von Terre des Hommes Deutschland e.V., wo er die Bereiche Kommunikation, Fundraising, politische Arbeit und ehrenamtliches Engagement verantwortet. Als Vorstandssprecher vertritt er die Kinderrechtsorganisation in der Öffentlichkeit. Zuvor leitete er das Referat Programme und Politik mit regionalem Fokus auf Asien, Afrika, Lateinamerika, Europa und Nahost. Ein zentrales Anliegen ist ihm die Beteiligung junger Menschen – er war maßgeblich an der Gründung des BMZ-Jugendbeirats und des Internationalen Jugendnetzwerks von Terre des Hommes beteiligt. Nach dem Studium in Potsdam und einem Master an der United Nations University in Maastricht arbeitete er unter anderem beim UNDP in Bangkok und im Auswärtigen Amt in Berlin. Heute lebt er in Berlin und Osnabrück.
Lieber Joshua Hofert, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo haben Sie sich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert?
Mein erstes ehrenamtliches Engagement liegt schon eine ganze Weile zurück – ich war damals 13 Jahre alt und wuchs in München auf. Ich hatte das große Glück, eine unbeschwerte und glückliche Kindheit zu erleben. Es trieb mich um, dass das nicht für alle Kinder auf der Welt selbstverständlich ist.
Der Anlass für mein erstes ehrenamtliches Engagement waren Projekttage an meiner Schule. Damals war ich begeistert vom Theaterspielen und fand mit den Theaterstücken der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes ein perfektes Match. Gemeinsam mit Mitschüler*innen habe ich zwei Stücke zum Kinderrecht auf sauberes Wasser einstudiert und organisierte eine Kundgebung am Münchner Marienplatz, wo wir die Theaterstücke aufführten – mitten in der Stadt, vor vielen Passant*innen.
Das war die erste von vielen Aktionen und Veranstaltungen, die ich zu Kinder- und Menschenrechtsthemen organisierte. Mir wurde schnell klar: Das Mindeste, was ich tun konnte, war, meine Fähigkeiten und Zugänge zu nutzen, um andere Kinder und Jugendliche beim Einsatz für ihre Interessen zu unterstützen. Ich habe mich dann auch während meines Studiums ehrenamtlich engagiert, unter anderem fünf Jahre lang im ehrenamtlichen Aufsichtsgremium von Terre des Hommes, dem Präsidium.
Was hat Sie zu Terre des Hommes gebracht? Wie lange sind Sie schon dort?
Damals hätte ich nie gedacht, dass ich später mal hauptberuflich bei Terre des Hommes landen würde (lacht).
Nach meinem Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften zog es mich für den Master an die United Nations University in Maastricht, wo ich „Public Policy and Human Developmen“ studierte. Beruflich war ich zunächst auf der staatlichen Seite der internationalen Politik tätig: beim United Nations Development Programme (UNDP) in Bangkok und beim Auswärtigen Amt in Berlin als Programmkoordinator in der internationalen Diplomatenausbildung. Das war eine spannende Zeit, in der ich viel über politische Prozesse, Diplomatie sowie die Möglichkeiten und Grenzen der staatlichen Zusammenarbeit gelernt habe.
Diese Erfahrungen motivierten mich, den Weg zu einer Nichtregierungsorganisation einzuschlagen. Im Jahr 2020, mitten in der Pandemie, bewarb ich mich auf eine Position als Referatsleiter Programme und Politik bei Terre des Hommes und das klappte. Schon mein damaliger Job war vielfältig: Ich arbeitete sowohl zu den Projektregionen Asien, Afrika, Lateinamerika, Europa und Nahost als auch zu politischen Themen wie dem Recht auf eine gesunde Umwelt, Kinderarbeit und Lieferketten. Es half, dass ich die Kinderrechtsorganisation durch mein Ehrenamt schon so lange kannte und ihre Werte und Ziele persönlich voll und ganz teile.
Im Juni 2022 wurde ich dann in meine heutige Position berufen: Als hauptamtlicher Vorstand verantworte ich die Bereiche Kommunikation, Fundraising, politische Arbeit und die Förderung des ehrenamtlichen Engagements. Als Vorstandssprecher vertrete ich Terre des Hommes nach außen und innen.
Welche Themen haben Sie und Ihr Team bislang in 2025 beschäftigt und was kommt in diesen turbulenten Zeiten als nächstes auf Sie zu?
Sie sagen es … turbulente Zeiten. Wir erleben, dass die gesellschaftliche und politische Unterstützung für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in Deutschland und weltweit abnimmt. Gleichzeitig nehmen Krisen, Konflikte und Naturkatastrophen zu – und damit auch die Notwendigkeit, Kindern und ihren Familien schnell und wirksam zu helfen. Heute leben annähernd 500 Millionen Kinder in Konfliktgebieten, fast doppelt so viele wie vor 30 Jahren. Ausgerechnet jetzt kürzt die Bundesregierung die Gelder für humanitäre Hilfe um mehr als die Hälfte. Von den USA ganz zu schweigen.
Vor diesem Hintergrund habe ich Anfang 2025 einen „Future Process“ für Terre des Hommes ins Leben gerufen. Wir analysieren die aktuellen Trends um uns herum und entwickeln Strategien, um vorausschauend darauf zu reagieren. Der Wind weht inzwischen für zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen von vorne. Ich bin überzeugt: Wir müssen unsere Zukunft entschlossen formen, sonst werden wir geformt.
Wie wichtig sind für Sie Kooperationen und Netzwerke?
Kooperationen und Netzwerke sind für mich heute wichtiger denn je. Die Herausforderungen, die ich eben skizziert habe, sind zu groß und zu komplex, um sie allein zu bewältigen. Gerade in den letzten Monaten hat sich zudem gezeigt, wie sehr zivilgesellschaftliche Organisationen unter Druck geraten. Die „Kleine Anfrage“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit 551 Fragen, in der gemeinnützige Organisationen pauschal unter Verdacht gestellt wurden, stehen exemplarisch dafür. Solche politischen Angriffe verfolgen das Ziel, die unabhängige Zivilgesellschaft einzuschüchtern, und laufen Gefahr, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern.
In diesem Umfeld ist es entscheidend, dass wir uns mit anderen Organisationen, Initiativen und engagierten Menschen vernetzen – national wie international. Netzwerke bieten Schutz, Austausch und die Möglichkeit, gemeinsam Position zu beziehen, wenn Demokratie und Menschenrechte infrage gestellt werden. Gerade jetzt ist es wichtig, solidarisch zu sein und sich gegenseitig zu stärken.
Vor welchen Herausforderungen stehen Kinderrechtsorganisationen aktuell?
Wir erleben derzeit, dass die regel- und wertebasierte Ordnung, inklusive Menschen- und Kinderrechten, zunehmend unter Druck gerät und vielerorts zerbröselt. Universelle Prinzipien wie die Einhaltung des Völkerrechts werden infrage gestellt. Regierungen werden vielerorts autokratischer, so dass sich die Zivilgesellschaft mit immer enger werdenden Handlungsräumen konfrontiert sieht. Wir nennen das „Shrinking Spaces“. Gleichzeitig wächst der Bedarf an internationaler Zusammenarbeit: Weltweit nehmen Krisen, Konflikte und Naturkatastrophen zu, immer mehr Kinder und Familien werden zur Flucht gezwungen.
Eine positive Initiative in Deutschland und der EU sind die Lieferkettengesetze, um die Ausbeutung von Mensch und Natur sowie gefährliche Kinderarbeit zu stoppen. Nun will Bundeskanzler Merz die Lieferkettengesetze jedoch verwässern oder gar abschaffen.
Statt in der internationalen Zusammenarbeit die Uhren zurückzudrehen, sollte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. Gerade jetzt braucht es verlässliche internationale Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Nur gemeinsam können wir die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen und Kindern weltweit eine bessere Zukunft ermöglichen.
Und zum Schluss: Drei Fragen & Antworten
Welches Buch haben Sie zum Thema Ehrenamt oder Engagement gelesen, das Sie nachhaltig beeindruckt hat?
Ich lese gerade erneut „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. Es ist zwar kein Buch über Engagement oder Fundraising im engeren Sinne, aber für mich beschreibt es eine Haltung, die in beiden Bereichen leitend ist: mit Empathie und Offenheit auf andere zuzugehen.
Wenn Sie einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hätten, welcher wäre das?
Ich wünsche mir, dass Fundraising-Kampagnen Kinder als handelnde, starke Persönlichkeiten zeigen – und nicht als bloße Empfänger*innen von Hilfe.
Was möchten Sie unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Ihr Credo?
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ –aus „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry.

Joshua Hofert
Vorstandssprecher
Terre des Hommes
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