Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?
Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.
Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.
Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.
Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?
Ansgar Wimmer, Vorstandsvorsitzender der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Zuvor leitete er als Beigeordneter (parteilos) den Geschäftsbereich für Kultur, Bildung, Jugend, Soziales und Sport der Stadt Gütersloh. Wimmer ist Volljurist und hat einen Master in Public Administration an der John F. Kennedy School of Government (Harvard University/USA) erworben.
Lieber Ansgar, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?
Tatsächlich gibt es bei mir zwei prägende frühe Erfahrungen zum Thema Engagement. Die eine ist, dass ich als 15-jähriger von einem Kaplan meiner Kirchengemeinde gefragt wurde, Schwimmunterricht für Asylbewerber zu geben. Das war Mitte der 80er Jahre, während des großen Zuzuges von Menschen aus Sri Lanka und aus Ghana. So kam es, dass ich zehn Männern, die sehr viel älter waren als ich, in einem öffentlichen Schwimmbad schwimmen beibrachte – und dabei viel über die Welt lernte. Ein ganz anderes Engagement begleitet mich bis heute. In Folge eines Austauschjahres in den USA habe ich Ende der 80er Jahre für die Austauschorganisation AFS gemeinsam mit anderen begonnen, Schüleraustausche mit Osteuropa zu organisieren. Das war der Versuch, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Begegnungen zwischen Menschen aus Russland, der damaligen Tschechoslowakei, den baltischen Staaten und Deutschland zu organisieren. Ein Engagement, was sich heute erneut als sehr aktuell erweist.
„Meine Motivation für den Einstieg in ehrenamtliche Arbeit war, dass ich mich schon sehr früh für Völkerverständigung interessiert habe. Ich hatte das Gefühl, dass ehrenamtliches Engagement eine schöne Art ist, Selbstwirksamkeit zu üben und zu zeigen.“
Du hast bereits im In- und Ausland in unterschiedlichen Kontexten - im öffentlichen Bereich, im unternehmerischen Bereich und im gemeinnützigen Bereich - bürgerschaftliches Engagement kennengelernt und gefördert. Welche Formen findest Du spannend? Welches Engagement würdest Du in heutiger Zeit selbst unterstützen oder ausüben?
Ich finde Engagement immer dann schön, wenn Mitbestimmung und Mitwirkung einhergehen. Studien zum Ehrenamt besagen, dass Menschen sich besonders gerne dort engagieren, wo sie autonom oder selbstbestimmt mitarbeiten und Lebensverhältnisse mitgestalten können. Zudem habe ich viel für Engagement im eigenen Umfeld übrig: „Charity begins at home“, so hat es meine Vorgängerin bei der Toepfer Stiftung, Birte Toepfer, immer formuliert. Ich bin in einer Generation sozialisiert worden, die sich viel in Dritte- bzw. Eine-Welt-Gruppen engagiert hat. Davor habe ich großen Respekt, finde es aber gleichzeitig wichtig, dass man sein eigenes Lebensumfeld nicht aus dem Blick verliert. Als Zivildienstleistender habe ich gesehen, wie Menschen innerhalb ihrer Familie Angehörige gepflegt haben, Sorge für Großeltern getragen haben, in der Familie Verantwortung getragen haben. Das ist etwas, was ich wichtig finde: Als Ausgangspunkt für Engagement zunächst einmal zu überlegen, wo man eigentlich im eigenen unmittelbaren Umfeld hilfreich sein kann.
Du beschäftigst Dich auch schon lange mit Leadership, bist Mitglied im lokalen Kuratorium und seit 2015 zusätzlich im Beirat der gemeinnützigen Common Purpose Deutschland GmbH. Was bedeutet Leadership für Dich und welche Entwicklungen beobachtest und begleitest Du zurzeit?
Ich glaube, dass die Frage, wie man führt, sehr individuell ist. Ich bin immer skeptisch gegenüber in sich geschlossenen Konzepten von Leadership oder Führung. Wenn überhaupt, dann ist mir die Idee von „servant leadership“, also dem dienenden Führen eine besondere Komponente, die mir nahe ist.
„Zu leiten ist zunächst eine soziale Funktion, die bestimmter Kompetenzen bedarf – so wie Menschen auch bestimmte fachliche Kompetenzen haben. Es ist manchmal eine Auszeichnung, vor allem aber auch eine große Verpflichtung.“
Auch wenn Angela Merkel mit sehr unterschiedlichen Augen betrachtet wurde, fand ich ihr Verständnis von Führung besonders: Zu gucken, wo man durch Führen dem Prozess helfen und damit dienen kann. Das ist etwas, was mir sehr wichtig ist – gleich gefolgt von einem Teamgedanken. Es ist vielleicht ein bisschen plakativ, aber einer der Filme, die ich schätze, ist Ocean’s Eleven, weil dieser, wie auch die anderen Filme dieser Serie, deutlich macht, wie ein sehr heterogenes Team gemeinsam etwas schier Unmögliches möglich macht. Und das gilt sicher auch für das großartige Team bei der Toepfer Stiftung, dessen Teil ich als Vorstand sein darf.
Die Toepfer Stiftung hat 2019 den Zuschlag bekommen, die neue „Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ aufzubauen und damit dauerhafte Förderung durch Bund und Länder zur Weiterentwicklung der Hochschullehre zu erhalten. Magst Du unsere Leser*innen kurz abholen, was seit dem Start schon alles passiert ist (euer Team ist z.B. sehr gewachsen), was die nächsten Schritte sind und wie Du das von der Toepfer Stiftung aus beobachtest und begleitest?
Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre, kurz StIL, ist eine eigenständige Treuhandstiftung unter dem Dach der Toepfer Stiftung. Das klingt für Stiftungsexperten wie ein Widerspruch, da eine Treuhandstiftung eigentlich keine eigenständige Stiftung ist. Wir haben die Stiftung aber so ausgestaltet, dass sie mit einem Vorstand von drei starken Kolleginnen ausgestattet, gute Lehre an Hochschulen direkt fördern kann. Die StIL ist seit ihrer Gründung im Jahr 2020 sehr schnell gewachsen und hat mittlerweile knapp 40 Mitarbeitende, die dort mit unterschiedlicher Fachlichkeit tätig sind. In ihrer ersten Förderbekanntmachung hat sie bereits im Jahr 2021 Förderzusagen in Höhe von 340 Millionen Euro ausgesprochen, um Hochschulen über mehrere Jahre in ihrer Kompetenz digitaler Lehre zu fördern. Die StIL ist aber nicht nur eine Förderstiftung. Sie dient auch dem Austausch und der Vernetzung von Hochschulen und ist für die Lehre, wie etwa die Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Forschung ein wichtiger Player, deutsche Hochschulen voranzubringen. Für die Toepfer Stiftung ist das ein großes Glück. Wir haben zusammen mit weiteren Partnern das Projekte Lehren aufgebaut und über zehn Jahre mit nur einem Bruchteil der Ressourcen gefördert, die jetzt die Stiftung Innovation in der Hochschullehre zur Verfügung hat. Für uns ist es eine erfüllende Erfahrung zu sehen, wie Stiftungen den Anfang machen können und dann Bund und Länder, die jetzt diese neue Stiftung fördern und gemeinsam prägen, einsteigen und das Projekt skalieren. Das ist fast wie aus dem Lehrbuch.
Kannst Du noch ein paar Sätze zur aktuellen Strategie der Toepfer Stiftung verlieren? Was sind zurzeit Deine operativen Hauptaufgaben? Was hat die Toepfer Stiftung in diesem Jahr auf dem Zettel? Welche Netzwerke spielen zurzeit eine große Rolle für Euch?
Wir versuchen, uns immer wieder neu zu erfinden. So steht es auch in unserer Satzung, dass die Toepfer Stiftung sich stets zeitgerechten und zukunftsträchtigen Aufgaben widmet. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir alle fünf Jahre ein neues Stiftungsprogramm erarbeiten, sondern dass wir wach sind für die Anforderungen der Zeit. Dementsprechend gibt es neben den aktuellen Entwicklungen, auf die wir in der Allianz mit anderen Stiftungen versuchen zu reagieren, mehrere Programme, die wir dieses Jahr neu fassen.
Wir entwickeln etwa derzeit den KAIROS-Preis weiter, der nach der Pandemie-Pause wieder vergeben werden soll. Wir erarbeiten außerdem ein neues Engagement im Bildungsbereich und werden uns dort voraussichtlich der Fortbildung und der Ermutigung von Menschen widmen, die Grundschulleitungen werden wollen. Wir haben unser Programm Museion21 wieder aufgegriffen und diskutieren darüber hinaus zusammen mit der Studienstiftung des Deutschen Volkes die Schaffung eines europäisches Stipendienprogramm – eine Idee, die heute vielleicht relevanter ist denn je. Ganz aktuell erweitern wir außerdem mit anderen Hamburger Stiftungen das Programm „Aufholen nach Corona“ durch ein Qualifizierungsprogramm für Honorarkräfte an Schulen.
„Generelles Strukturmerkmal der Toepfer Stiftung ist, genau darauf zu achten, keine Bedarfe zu erfüllen, die andere schon längst erfüllen. Wir arbeiten immer vernetzt und mit Partnern, begreifen uns als Teil der Zivilgesellschaft und stellen uns auch in unserer Programmarbeit immer wieder die Frage, wo und wie wir dienen können.“
Eine große Rolle in unserer Netzwerkarbeit spielt der Bundesverband Deutscher Stiftungen, aber auch die Allianz der Hamburger Stiftungen, wie sie sich etwa im Initiativkreis Hamburger Stiftungen niederschlägt.
Du warst bis vor Kurzem noch Leiter des Arbeitskreises Kunst und Kultur und bist nun stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Wie ist Dein Blick auf die Arbeit von Kulturstiftungen und den Stiftungssektor insgesamt?
Ich habe gemeinsam mit Christine Neuhaus von der ZEIT Stiftung sehr gerne das Lernen von Kulturstiftungen untereinander in dem Arbeitskreis koordiniert und erlebe diese als einen sehr engagierten und relevanten Ausschnitt des Stiftungssektors. Eine Sollbruchstelle gibt es aber gegenüber denen aus dem BKM gesteuerten Stiftungen, insbesondere der Kulturstiftung des Bundes. Diese starten ihre Initiativen häufig mit einer Art Tunnelblick und zeigen kein großes Interesse an der Vernetzung in den gemeinnützigen privaten Stiftungssektor. Ich habe mir immer sehr gewünscht, dass es dort eine größere Offenheit gibt – nicht nur in der Linie der Organisation, sondern in der Leitung. Daher bin ich gespannt, ob die personellen Veränderungen, die dort ins Haus stehen, zu mehr Offenheit führen werden.
Abgesehen davon, dass der Bundesverband prosperieren möge, habe ich für den Stiftungssektor insgesamt einen großen Wunsch: Dass die neuen stifterischen Initiativen, die etwa von Dotcom-Millionären oder neuen Erbinnen und Erben initiiert werden, den Schulterschluss mit dem traditionell verfassten Sektor suchen. Das ist einige Jahre sehr gegeneinander diskutiert worden, was ich nie als besonders fruchtbar und sinnvoll empfunden habe. Ich fände es schön, wenn wir mit einer Stimme sprechen könnten: Statt der vermeintlich träge Stiftungssektor und die agile New Philanthropy einfach nur die gemeinsam, die etwas bewegen möchten.
Und zum Schluss – 3 Fragen in je einem Satz:
Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt/Engagement oder auch den Feldern, in denen Du Dich engagierst, gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?
„The Work of Nations“ von Robert B. Reich, der Arbeitsminister in der Regierung Clinton war – Er hat schon vor 30 Jahren geschrieben, wie sich das Berufsleben und die Arbeitswelt wandeln wird, was das Buch unter diesem Aspekt auch heute noch sehr lesenswert macht.
Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?
Ich würde dem gemeinnützigen Sektor wünschen, dass er die wichtigen gesellschaftlichen Debatten zu den Themen Diversität, Gendergerechtigkeit, Anti-Rassismus und soziale Gerechtigkeit weiterführt, sie aber nicht zu selbstreferenziellen Grabenkämpfen verkommen lässt, die nur noch wenige verstehen.
Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?
Ich bin, in freier Anlehnung an Eckardt von Hirschhausen, versucht zu sagen „Humor hilft“. Das ist in diesen Tagen besonders schwierig zu propagieren, aber sich immer wieder an Humor, Gelassenheit, Zuhören und Großzügigkeit als Maximen zu erinnern – das wäre schön.
Ansgar Wimmer
Vorstandsvorsitzender
Alfred Toepfer Stiftung F.V.S
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